Unser Oberfranken

Braukunst 4.0 im historischen Ambiente

Eine Reportage von Karsten Babucke

Über die Brauerei Haberstumpf

Oberfranken hat die größte Brauereidichte Deutschlands. Viele Dörfer haben mindestens eine Brauerei. Auf dem Biermarkt herrscht Konkurrenzkampf. Großbrauereien kaufen kleine Betriebe auf. Wer in diesem Wettbewerb überleben möchte, muss kreativ werden und mit der Zeit gehen. In Kulmbach ist die Brauerei AG ansässig, einen Ort weiter in Trebgast die Brauerei Haberstumpf. Mit neuen Ideen blickt das Team in die Zukunft.

Das Sudhaus: glänzende Kupferarmaturen auf mintgrünen Fließen. Mechanik wie aus einem anderen Jahrhundert. Kleine Bullaugen zeigen Temperatur oder den Druck an. Hier bedient der Braumeister das Brauen noch per Hand über die großen Ventilräder. Die Ventile und Anzeigen sind wie an einem Mischpult angeordnet. Der Kontrollraum des Sudhauses liegt im ersten Stock der Brauerei Haberstumpf. Hinterrücks ist eine Glasfront, die eine großartige Aussicht auf Trebgast und das Fichtelgebirge bietet. In der fränkischen Gegend befindet sich meistens der Läuterbottich oben und die Sudpfanne unten. Das heißt, die Abläuterung funktioniert üblicherweise mithilfe Schwerkraft. Hier ist es anders. Das Sudhaus mit den zwei Kesseln befindet sich hier auf einer Ebene. Es funktioniert über ein altes Pumpsystem. „Das ist sehr untypisch für die Region“, erklärt Ottmar Müller, der Braumeister. Das Sudhaus stammt aus dem frühen 20. Jahrhunderts und ist damit eines der ältesten der Region. Es fasst über 50-Hektoliter. Das entspricht ungefähr zehntausend Bierflaschen. Eines der ersten „Zwickl“ wurde hier gebraut. Es überstand Generationen der Familie Haberstumpf und die verschiedenen Besitzer der Brauerei.

Die Abfüllanlage: weiße Fließen, feuchte Luft. An den Wänden stapeln sich Dutzende Fässer mit Bierkästen. Hier wird das Gebräu abgefüllt. In Reih und Glied stehen sie da. Mit Engelsgeduld und Feingefühl steht der Braulehrling vor einer Armee aus Flaschen. Er bringt in Handarbeit das Etikett an. „Ich beklebe schon mal Hunderte Flaschen pro Tag. Das Sortieren in Kisten macht mir aber mehr Spaß“, beschreibt Moritz Stauber, der Auszubildende, seine Arbeit. Er feuchtet den Aufkleber in einer Schüssel voll Wasser an, dann platziert er ihn unter dem Schnappverschluss auf der 0,75 Liter Flasche. In Franken wird in der Regel in 0,5 oder 0,3 Liter abgefüllt. Doch die Flaschengröße ist ein Alleinstellungsmerkmal der Brauerei. „Mit der Glasbrennerei wiederum ein Gewächshaus erhitzt. So entsteht ein in sich geschlossener, autarker Kreislauf und die Flaschen können CO2-neutral produziert werden“, erklärt Müller seine Vision. „Weil wir im nächsten Jahr auf Bio-Bier umsteigen, wollen wir das Bier in einer klimaneutralen Flasche abfüllen.“ In die auffälligen Flaschen wird das Helle, das Hausbier, abgefüllt „Die Flaschen können auch aufrecht im Kühlschrank, neben Wein und Milch gelagert werden“, während das Doppelbock, das Rubin oder das Hahn Zwergla in kleinere Flaschen gezapft wird. In den kommenden Jahren werden hier über zwei bis viertausend Hektoliter Bier im Jahr produziert. Damit konzentriert sich die Brauerei besonders auf die Nische der Bierliebhaber und Feinschmecker. Das Kesselhaus: gelbe Wände und glänzende Gährkessel. Spiegelndes Metall. Frischer Estrich. Neue Fließen. Während der Vorraum noch alt und modrig riecht. Symbolträchtig für den aktuellen Wandel. Die Brauerei steckt mitten im Umbruch. Ein neuer Geldgeber bringt seit 2019 Aufschwung.

„Weil wir im nächsten Jahr auf Bio-Bier umsteigen, wollen wir das Bier in einer klimaneutralen Flasche abfüllen.“

Ottmar Müller

Das Kesselhaus: gelbe Wände und glänzende Gährkessel. Spiegelndes Metall. Frischer Estrich. Neue Fließen. Während der Vorraum noch alt und modrig riecht. Symbolträchtig für den aktuellen Wandel. Die Brauerei steckt mitten im Umbruch. Ein neuer Geldgeber bringt seit 2019 Aufschwung. Bernd Förtsch ein Unternehmer aus Kulmbach, hat in die Brauerei investiert. Eine große Chance für den Braumeister. Er kann ein neues Team aufbauen und den Betrieb auf den neuesten Stand bringen. „Mit einer Hebevorrichtung haben wir die Braukessel angehoben, um darunter den Boden zu erneuern“, beschreibt Müller. Gerade die schwierige Zeit der Pandemie bot dem neuen Team ausreichend Zeit, einen Neustart zu wagen. So läuft nach über einem Jahr Umbau der Braubetrieb wieder an. Bernd Förtsch ein Unternehmer aus Kulmbach hat in die Brauerei investiert. Eine große Chance für den Braumeister. Er kann ein neues Team aufbauen und den Betrieb auf den neuesten Stand bringen. „Mit einer Hebevorrichtung haben wir die Braukessel angehoben, um darunter den Boden zu erneuern“, beschreibt Müller. Gerade die schwierige Zeit der Pandemie, bot dem neuen Team ausreichend Zeit, einen Neustart zu wagen. So läuft nach über einem Jahr Umbau der Braubetrieb wieder an.

Die Schenke: eine rustikale Bar und eine breiter Treppenaufgang. Hier begrüßt Fachpersonal die Besucher und bringt sie in den zweistöckigen Gastraum. Dunkle Holzvertäfelungen an der Wand, helles Treppengeländer, rustikale Sitzgruppen. Auch hier herrscht Brauereigefühl pur. Ein großer Warmwassertank dominiert den Eingangsbereich. An der Theke gibt es die Kreationen der Brauerei frisch an der Theke abgezapft, während die Küche feinste italienische Küche serviert. Der Gastronom Blerim Ljimoni pachtet schon seit vielen Jahren die Schenke. Unter dem Namen „La Birreria“ servieren hier den Gästen italienische Kochkunst. Antipasti. Oktopus. Roastbeef. Liebevoll wird hier Fisch, Gegrilltes oder Pizza aufgetischt. „Ein schöner Ort, um gut zu Essen und dazu ein leckeres Bier zu trinken“, schreibt Carmen Penzel nach ihrem Besuch auf der Website.

Die Bergstraße nach Trebgast bietet Genuss für alle Sinne. Vom Dach bis zum Keller wandelt sich die Brauerei zu einem Schmuckstück. Biervielfalt. Experimentierfreude. Genießertum. Und so wird der Gasthof auch im neuen Jahr sicherlich wieder zum Besuchermagnet in Trebgast.

Mehr zu dem Thema:

Posted by Karsten Babucke in Essen & Trinken, Genuss & Leben, Orte & Freizeit, Unser Oberfranken
„Ich bin auf der Reise geboren und ich werde auf der Reise sterben.“

„Ich bin auf der Reise geboren und ich werde auf der Reise sterben.“

Kevin Pazdera ist seit 2019 selbstständig. Er reist mit zwei
fabrikneuen Retrofoodtrucks durch die Region. Vom Coburger
Weihnachtsmarkt bis hin zur Michaeliskirchweih nach Fürth.
Pazdera stammt aus einer großen Schaustellerfamilie mit über 30
Angestellten. Eigentlich gibt es ihn aber schon viel länger auf dem
Weihnachtsmarkt.


Seit wann sind sie auf dem Coburger Weihnachtsmarkt und wie hat sich dieser über die Jahre verändert?
Ich selbst bin seit 2019 auf dem Weihnachtsmarkt, meine Eltern seit 45 Jahren. Wir haben alle Varianten mitgemacht: Von unserem eigenen Imbiss 1976 bis hin zu den Stadthütten. Der Weihnachtsmarkt hat auch schon am Schlossplatz stattgefunden.
Seit er am Marktplatz stattfindet, ist er einer der schönsten in unserer Region.


In dieser Zeit haben Sie sicher spannende Geschichten erlebt. Ist Ihnen da was Besonderes in Erinnerung geblieben?
Geschichten gibt es mehr als genug. Gute und schlechte. Das schönste für uns ist es dem Besucher ein paar schöne Stunden zu bereiten. Sie sollen den Alltag vergessen und einfach nur Spaß haben. Egal wie stressig es für uns ist oder wie unhöflich auch einzelne Kunden sein mögen. Franz Josef Strauß hat mal gesagt und das ist unser Leitfaden: „Lärm, der von einer Kirmes ausgeht, ist kein Lärm, sondern ein Ausdruck von Lebensfreude“.


Und gibt es bei diesem „Lärm“ auch gefährliche Situationen?
Sowas kommt in der Tat ab und zu vor, aber bei uns selbst Gott sei Dank noch nie. Schausteller achten sehr darauf, eine brenzlige Situation so schnell wie möglich aufzulösen.


Gab es für Sie als „Schaustellerkind“ je einen anderen Berufswunsch oder war immer klar: Das möchte ich auch!
Ich bin auf der Reise geboren und ich werde auf der Reise sterben.
Trotz meiner Ausbildung zum Elektiker war mir schon immer klar: Auch ich werde Schausteller. Dieser Job funktioniert nur, wenn man ihn mit Herzblut macht. Seit 2018 bin ich in einer neuen Beziehung, mit einer Frau die meine Leidenschaft für die Schaustellerei teilt. Sie könnte sich auch nichts anderes mehr vorstellen. Auch wenn die Zeiten für uns immer schwieriger werden. Viel Arbeit. Wenig Freizeit.


In den letzten zwei Jahren musste die „Reise“ ja pausieren: Können Sie uns
einen Einblick in diese Zeit geben?

Die letzten zwei Jahre waren für uns die Hölle. Es gibt nur minimale Hilfen, unsere Unkosten bleiben aber gleich. Als Beispiel: Man nimmt jemanden 90% seines Gehaltes weg und er soll gleichzeitig so Leben wie bisher. Alle Unkosten bleiben nämlich unverändert. Und vieles wird sogar teurer. Allen Schaustellern ergeht es so.
Es gab zwar in den vergangenen beiden Jahren riesige Veranstaltungen, aber Volksfeste waren verboten. In dieser Zeit habe ich mit meiner Firma Verluste in sechsstelliger Höhe gemacht. Das werden wir wohl nie wieder ausgleichen können.

Und haben Sie sich in der Zeit überlegt was anderes zu machen?
Einen neuen Job annehmen ist nicht möglich. Ab und an gibt es doch kleinere Veranstaltungen, die man annehmen muss. Wenn man diese nicht wahrnimmt, verschwindet man eben ganz von der Bildfläche.


Deshalb haben Sie sich auch entschieden ihren Stand an der diesjährigen
Version des Weihnachtsmarkts aufzubauen: Wie läuft es am neuen Standort?

Es läuft ganz gut. Wir können ein bisschen Geld verdienen und so doch die ein oder andere Rechnung bezahlen. Aber kein Vergleich zum Weihnachtsmarkt. Wir haben investiert, um unsere Geschäfte aufzumöbeln und Ware zu bestellen. Dann fällt es der Regierung kurzfristig ein, dass Weihnachtsmärkte nicht stattfinden dürfen. Da ist für uns eine Welt zusammengebrochen. Uns fehlt die Perspektive wie es
weitergehen soll. Es wird wohl mit Sicherheit 2022 auch keine Volksfeste geben und unsere Schulden werden ins Unermessliche steigen. Es ist auch nicht gerecht, dass wir schon um 18 Uhr schließen müssen während die „Normale“ Gastro bis 22 Uhr öffnen darf.


Was wünschen Sie sich für das Jahr 2022?
Wir Schausteller wünschen uns, dass das alles endlich ein Ende hat. Wir wünschen uns, dass Volksfeste wieder erlaubt werden, wir wieder arbeiten dürfen und wir endlich wieder unser Leben leben können.

Kevin Pazdera bei der Arbeit am neuen Standort Albertsplatz
„Uns fehlt die Perspektive wie es weitergehen soll“

Posted by Willy Rebhan in Unser Oberfranken
Ein soziales Projekt im Kampf gegen die Bürokratie

Ein soziales Projekt im Kampf gegen die Bürokratie

Das Mehrgenerationenhaus in Kulmbach ist ein Segen für die ganze Region. Vorbildlich kombiniert die Einrichtung Kinderbetreuung, Integration und Angebote für Senioren. Beispielgebend. Richtungsweisend. Ganzheitlich. Doch die Förderung lässt zu wünschen übrig. Was der Leiterin die Arbeit erschwert: Ein Wust an Bürokratie, zu wenig Geld, zu viele unklare Regeln. Fast jeder Antrag gleicht einer wissenschaftlichen Arbeit. Das muss sich deutlich bessern. 

Dabei hat dieses Projekt so viel Nutzen und Mehrwert für gesellschaftliche Randgruppen zu bieten. Ehrenamtliche Sprachpaten unterstützen Geflüchtete bei Alltagsfragen. Sie helfen bei schulischen Angelegenheiten, bereiten auf Deutschprüfungen vor oder telefonieren mit Ämtern und potenziellen Arbeitgebern. Die Liste ließe sich endlos fortführen.

Kurzum: Von dem, was die Kulmbacher Institution leistet, profitieren viele benachteiligte Menschen. Das Klima dort wirkt herzlich und eröffnet Perspektiven. Die geflüchteten Frauen fühlen sich sichtlich wohl in der vertrauten Atmosphäre mit den Sprachpaten. Ein weiterer Vorteil: Ihre Kinder werden nicht als störend empfunden, sondern sind willkommen. So gelingt Integration. 

Das Konzept bietet einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen. Das sollten staatliche Stellen auch angemessen honorieren. Mit einer Förderung, die für die Aufgaben ausreicht. Vor allem gilt es, die Anträge zu vereinfachen.

Laut einer bundesweiten Umfrage unter ehrenamtlichen Kräften vergeuden diese rund zwei Drittel ihrer Arbeitszeit mit Bürokratie. Auch die Datenschutz-Grundverordnung hat zusätzlichen Aufwand erzeugt.

In Summe eine Zumutung. Demotivierend. Nervig. Zeitraubend.

Ist es nicht so, dass die vormalige Große Koalition sich die Stärkung der Zivilgesellschaft auf ihre Fahnen geschrieben hatte? Die Realität: Für Initiatoren ist es oft schwer zu durchschauen, ob sie ihre Förderung auf Länder- oder Bundesebene beantragen müssen. Besser wäre eine große bundesweite Förderung, auf die alle sozialen Projekte Anspruch haben. Zudem ist das Mehrgenerationenhaus auf Spenden angewiesen. Von den Fördergeldern allein würde sich das Projekt nicht tragen. Daher muss der Bund ein deutlich größeres Fördervolumen bereitstellen und den Verwaltungsaufwand deutlich reduzieren. Nur dann werden mehr solcher Projekte entstehen. Und nur dann können davon mehr benachteiligte Menschen profitieren. Für die künftige Ampelkoalition sollte dies zur Pflichtaufgabe werden.

Ordner voll bürokratischer Pflichtaufgaben


Posted by Jennifer Schnell in Genuss & Leben, Jennifer Schnell, Unser Oberfranken
Gut. Besser. Praline.

Gut. Besser. Praline.

Ein Kommentar

Gut. Besser. Praline.

Pralinen gelten in unserer Gesellschaft als teures Naschwerk. Vor allem in der Vorweihnachtszeit häufen sich auf Internetplattformen und in sozialen Netzwerken kritische Kommentare. Tenor: Gemessen an anderen Schokoladen-Produkten seien Pralinen viel zu teuer. Ein Vergleich, der hinkt, weil er Äpfel mit Birnen gleichsetzt. Und der grundlegend falsch ist. Nicht zuletzt wegen der aufwändigen Herstellung und der kostbaren Zutaten. Wer sich objektiv mit dem Thema beschäftigt, kommt zu dem Schluss: Eine gute Praline ist jeden Cent wert.

Im Durchschnitt bezahlen deutsche Konsumenten für eine Tafel Schokolade 69 Cent. Die gleiche Menge Pralinen kostet in etwa fünf bis acht Euro. Auf den ersten Blick ist die Differenz enorm. Und sie wird immer größer. Besonders in den vergangenen zwei Jahren zogen die Preise nochmals an. Laut einer Studie von „Statista“ war dafür auch die Corona-Pandemie ein Auslöser. Sie führte zu einem Mangel an Rohstoffen und zu Lieferengpässen. Die Kosten für Kakao stiegen.

Und die Confiserien waren gezwungen, darauf zu reagieren. Eine verständliche Entscheidung. Viele kleine Manufakturen kämpfen ohnehin ums Überleben.

Der Mangel an Rohstoffen ist aber nicht der einzige Grund für die Teuerung. Die Produktion von Pralinen erfordert viel Aufwand. Ursächlich für die hohen Preise sind hochwertige und exotische Zutaten wie Gewürze, frisches Obst, hochprozentiger Alkohol oder Teeinfusionen.

Außerdem schöpfen viele Confiserien ihre Pralinen und Trüffel mit viel Liebe zum Detail in Handarbeit. Verbraucher bezahlen bei der Schokoladen-Spezialität also nicht nur die kostbaren Ingredienzien, sondern auch die deutlich höhere Arbeitszeit. Nicht zuletzt gelten Pralinen in Deutschland als die Krönung der Chocolatierkunst. Zum Vergleich: Schokoladen-Tafeln aus dem Discounter sind Serienprodukte, von Maschinen gefertigt, aus minderwertigen Zutaten. Gewöhnlich. Billig. Profan.

Selbstredend sollte man in der Lage sein, zu differenzieren. Vieles schimpft sich Praline, was eher der Kategorie Massenware zuzuordnen ist.
Es liegt an jedem selbst, Qualität von Minderwertigem zu unterscheiden. Bei hochwertigen Schokoladen-Produkten führt kein Weg an einer Confiserie vorbei. Wer gut essen will, geht ja auch zum Sternekoch. Wirklicher Genuss hat seinen Preis. Lieber sich gelegentlich etwas gönnen, als regelmäßig mit süßem Junkfood vorlieb nehmen.

Posted by Michael Winkel in Essen & Trinken, Genuss & Leben, Unser Oberfranken
„Ich empfinde die Vielfalt der Menschen als bereichernd“

„Ich empfinde die Vielfalt der Menschen als bereichernd“

Das ausführliche Interview mit Elsbeth Oberhammer gibt’s hier im Podcast.

Im Mehrgenerationenhaus Kulmbach begegnen sich Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft. Die Geschwister-Gummi Stiftung hat das für die Region beispielgebende Projekt initiiert. Auch nach sechs Jahren als Leiterin der Einrichtung, gibt es noch Momente, die Elsbeth Oberhammer begeistern.

In welchen Momenten sind Sie besonders dankbar für Ihren Beruf?

Wenn ich zum Beispiel mit meiner Freundin Ikram [Besucherin des Mehrgenerationenhauses, Anmerkung der Redaktion] im Schnee spazieren gehe und sie sich so darüber freut, wie sehr der Schnee glitzert. Das ist einfach schön!

Waren Gemeinschaftserlebnisse wie dieses schon immer der Kern der Geschwister-Gummi-Stiftung?

Die Geschwister Gummi haben vor etwa 150 Jahren eine Stiftung zur Pflege von evangelischen Waisenkindern gegründet. Das erste evangelische Waisenhaus stand auch tatsächlich am Holzmarkt in Kulmbach und musste nach einigen Jahren erweitert werden. 1907 konnte dieses Haus hier eröffnet und bezogen werden. Damals auf der grünen Wiese vor den Toren der Stadt. 

Jetzt sind wir natürlich mittendrin! Vor etwa 25 Jahren ist das Kinderheim dann hier ausgezogen, weil die Bestimmungen sich verändert haben. Dadurch wurde Platz für neue Ideen. 

Wie hat sich das Projekt weiterentwickelt?

Wir wollten wieder was für Familien und Kinder verwirklichen. Also starteten wir mit dem familienfreundlichen Café. Hier treffen sich junge Familien und Mütter, um sich auszutauschen. Die Kinder können hier krabbeln, spielen und laut sein – und niemand stört sich daran. Und dann sind nach und nach die anderen Angebote ins Haus eingezogen. 

Welche sind das konkret?

Wir haben für viele Generationen ein Angebot. Wer handwerklich begeistert ist, gerne einen aktiven Ruhestand genießen möchte, kann sich in unserer professionell ausgestatteten Schreinerwerkstatt engagieren. Oder einen Schnitzkurs besuchen, sich von unseren Profis was zeigen lassen. Alle Werkstatt-Mitarbeiter basteln und werkeln regelmäßig – aktuell für unseren Weihnachtsmarkt zum Beispiel. 

In unserem Fairtrade-Café kommt man bei Kaffee und Kuchen gut miteinander ins Gespräch. Auch ehrenamtliches Engagement ist hier möglich: Als Sprachpate, Lernpate oder in unserem KuKaTz-Secondhand-Laden. Dort gibt es Babyausstattung, Spielsachen oder auch Klamotten für Kinder und Erwachsene zu einem kleinen Preis.   

Und im zweiten Stock ist unser Bildungsangebot. Musikgruppen für Kinder und für Mütter Sprach- und Sportkurse, wie etwa Pilates oder Rückbildung. Insgesamt ist also für jeden was dabei!

Elsbeth Oberhammer im Café des Mehrgenerationenhauses

Welches Ziel verfolgen Sie mit dem Mehrgenerationenhaus?

Meinen Auftrag sehe ich darin, für junge Familien ein adäquates Angebot zusammenzustellen und immer im Blick zu haben: Was brauchen unsere Familien im Moment? Das ist sehr spannend, weil sich das ständig verändert. 

Der andere Schwerpunkt dieses Hauses speziell ist das Thema Migration, Arbeit mit Geflüchteten. Da gibt es die Sprachpaten-Angebote und die Frauengruppe. Hier treffen sich arabische Frauen seit mehreren Jahren und sind unglaublich aktiv. Damit konnten wir einen guten Beitrag leisten, dass die Frauen und ihre Familien sich gut hier integrieren konnten. 

Nun gibt es ja leider immer wieder kritische Stimmen aus der Bevölkerung, was die geflüchteten Menschen angeht. Was entgegnen Sie diesen Kritikern?

Ich würde ihnen mitgeben, dass wir uns an unsere eigene deutsche Geschichte erinnern. Auch bei uns gibt es viele Menschen mit Fluchterfahrungen. Unser Besuch im Seniorenheim fand ich sehr beeindruckend. Die Senioren und Seniorinnen haben dort sehr bewegt von ihren eigenen Fluchterfahrungen erzählt und zu den geflüchteten Frauen gesagt: „Wir wissen, wie’s euch geht.“ Ich denke das tut unserer mittleren und jüngeren Generation ganz gut, da mal auf die eigenen Großeltern zu hören, die haben da manchmal mehr Empathie. 

Wenn man sieht, welchen Weg die Geflüchteten genommen haben und wie gut sie sich integriert haben, dann macht das Mut. Wir dürfen sie nicht alleine lassen. Müssen sie gut begleiten. Unsere Welt erklären. Und nicht voraussetzen, dass unsere Welt sich selbst erklärt.

Und es ist eine Chance! Bei uns fehlen so viele Arbeitskräfte. Da sage ich: Die Geflüchteten kommen doch wie gerufen. Wir brauchen sie ganz einfach. 

Ihr Beruf klingt wahnsinnig komplex. Bei all den unterschiedlichen Projekten, wie motivieren Sie sich täglich aufs Neue?

Ich empfinde die Vielfalt der Menschen hier als sehr bereichernd. Die engagierten Ehrenamtlichen, die Arbeit mit älteren Menschen, zu sehen, dass ich einer jungen geflüchteten Familie weiterhelfen konnte. Das erweitert meinen Horizont immer wieder. 

Oder die Selbsthilfegruppen. Seit einigen Jahren treffen sich hier Eltern von Kindern mit Autismus-Asperger-Syndrom oder anderen Beeinträchtigungen. Den Perspektivwechsel von der Seite der Erzieherin zum Blickwinkel der Betroffenen finde ich wahnsinnig wertvoll. Zu sehen mit welchen Hindernissen und Vorurteilen die Familien zu kämpfen haben, konnte ich mir zuvor nur schwer vorstellen. Und da auch mitzuhelfen, dass bei Institutionen, Einrichtungen und Behörden mal mehr der Gedanke entsteht: Wir sind eigentlich dafür da die Familien zu unterstützen, ihnen zu helfen. Und nicht zusätzliche Hürden aufzubauen und die Familien als Bittsteller kommen zu lassen.  

Welche Hürden werden den Familien da beispielsweise gestellt?

Eine Familie mit einem an Trisomie 21 erkrankten Kind musste etwa jährlich einen Bogen ausfüllen, dass diese Behinderung noch besteht. Das ist fast beleidigend für die Familie, denn sie wünschen sich ja nichts sehnlicher, als dass sich die Erkrankung einfach in Luft auflöst. Oder die Einrichtungen und Schulen lassen durchblicken, dass das Kind sehr anstrengend für den eigenen Betrieb ist. Statt zu fragen „Was braucht ihr von uns? Wie können wir euch helfen?“, wird kommuniziert „Das erwarte ich von Ihnen.“ Ich wünsche mir wirklich, dass es da in vielen Köpfen noch ein Umdenken gibt.


Posted by Jennifer Schnell in Genuss & Leben, Jennifer Schnell, Unser Oberfranken
Coburger Weihnachtsmarkt – <br> Das Christkind schwebt digital ein

Coburger Weihnachtsmarkt –
Das Christkind schwebt digital ein

Von Willy Rebhan

Coburg –Der erste Glühwein macht Oberbürgermeister Dominik Sauerteig auch nicht fröhlicher. Obwohl er mit dem Christkind Marie Martin den traditionellen Coburger Weihnachtsmarkt eröffnet. Doch der Marktplatz ist verwaist. Keine Besucher. Kein Mandelgeruch. Keine Lichterketten. Die Eröffnungsfeier findet digital statt. Zum ersten Mal. Wegen der Pandemie. Da kommt kaum Stimmung auf.

„Dies stimmt uns sehr traurig. Der Coburger Weihnachtsmarkt ist ein Highlight im Veranstaltungskalender der Vestestadt.“ Bilanziert das Coburger Stadtmarketing, angesprochen auf die bayernweite Absage der Weihnachtsmärkte. Normalerweise präsentieren sich hier Dutzende von Schaustellern. Vier Wochen lang drängeln sich im Stadtzentrum Zehntausende.

Das bayernweite Verbot von Weihnachtsmärkten durch die Staatsregierung löste auch in Coburg Enttäuschung aus. Schon vorher war klar, dass zumindest die Eröffnungsfeier in diesem Jahr digital stattfinden sollte. Der Oberbürgermeister entschied in Abstimmung mit dem Stadtmarketing, den Bürgern zumindest ein bisschen Weihnachtsfeeling nach Hause zu bringen. Wegen der steigenden Fallzahlen hatte Sauerteig frühzeitig bestimmt, die Eröffnung vom Marktplatz in die Wohnzimmer zu verschieben.

Also diesmal keine Live-Atmosphäre, sondern nur „on demand“ – also jederzeit abrufbar. So kann es sich wenigstens jeder „Besucher“, wann immer er das sechsminütige Video abruft, gemütlich machen, den Glühwein erhitzen und zur Not auch mal auf Pause drücken, wenn das Telefon klingelt.

Ein bisschen Stimmung kommt trotzdem rüber. Der Kinderchor der Grundschule Neuses singt zur Eröffnung das Lied „Es ist für uns eine Zeit gekommen“. Im Hintergrund des Videos Coburger Panorama mit Blick auf die Ehrenburg und das Landestheater. Die Eröffnung ist in Form eines Dialogs aufgebaut, bei dem sich das Christkind und das Stadtoberhaupt über das Weihnachtsfest unterhalten.

Bei einer regulären Eröffnung hätte Marie Martin gerne „meinen Prolog über das Miteinander“ gehalten. „Darin geht es hauptsächlich um Liebe. Ich hatte die Bitte an alle Coburger, ihren Mitmenschen mehr Zuneigung und Herzlichkeit zu zeigen.“ Der Oberbürgermeister hätte seinen Bürgern gerne ein paar wohlmeinende Worte über die Bedeutung des Christfests mit auf den Weg gegeben. „An Weihnachten geht es auch ein Stück weit darum, sich auf das Gemeinsame zu besinnen.“ Sein Wunsch für die Adventszeit: „Die Gemeinschaft soll wieder mehr in den Vordergrund rücken. Weg vom Ich-bezogenen Denken. Hin zum Wir-Gefühl.“ Am Ende der virtuellen Eröffnungsfeier ertönt „Leise rieselt der Schnee“. Das macht dann doch noch ein wenig Lust auf Weihnachten.

Der Coburger Weihnachtsmarkt Podcast

Posted by Willy Rebhan in Genuss & Leben, Unser Oberfranken
Coburger Weihnachtsmarkt im Pandemiebetrieb –<br>                                                                                        Plan C wie Christkind und Corona

Coburger Weihnachtsmarkt im Pandemiebetrieb –
Plan C wie Christkind und Corona

Von Willy Rebhan

Coburg – Kerzenschein. Glühweinaroma. Mandelduft. Normalerweise zählt der Coburger Weihnachtsmarkt zu den schönsten in ganz Deutschland. Doch in Pandemie-Zeiten herrscht auch hier Tristesse. Obwohl die Verantwortlichen alles versuchen. Und schließlich bei Plan C landen. Plan C wie Christkind und Corona.

Verschlossene Buden. Das Kopfsteinpflaster glänzt nass und dunkel. Eine bedrückende Kulisse. Einsam ragt ein Weihnachtsbaum aus dem historischen Marktplatz empor. Wenn nicht Corona über dem Land lastet, sind Ambiente und Angebot für die Besucher jedes Jahr ein Sinneserlebnis. Hier treffen sich Menschen, um gemeinsam zu schlemmen, zu feiern und die vergangenen Monate noch einmal Revue passieren zu lassen.

Doch auch heuer wird daraus nichts. Wie schon im vergangenen Jahr müssen die Besucher auf Geselligkeit und Besinnlichkeit verzichten. Die Staatsregierung hat alle Weihnachtsmärkte untersagt. Wegen Corona. Für die Besucher traurig, desaströs für Budenbetreiber und Schausteller. Ihr wirtschaftlicher Schaden ist monströs. Der Maroni-Rilke bringt es auf den Punkt: „Was ich sonst in einer Stunde verdiene, dafür brauche ich jetzt mehrere Tage.“

Oberbürgermeister Dominik Sauerteig leidet mit den Budenbetreibern und Besuchern. „Vor einem Vierteljahr noch hat die Staatsregierung verkündet, dass heuer alle Weihnachtsmärkte stattfinden können. Er erinnert an die emotionalen Debatten: „Wir Coburger wurden geprügelt.“ Denn die Stadt hatte von vornherein geplant, den Zugang zum Markt eindeutig zu regeln und zu kontrollieren. Das Fazit der Diskussionen: Nur Geimpfte oder Genesene sollten Zutritt haben, damit die Menschen im Marktbereich keine Masken tragen müssen. Damit wähnten sich die Verantwortlichen auf der sicheren Seite.

Ralf Pazderas Stand steht auf dem Albertsplatz. Er führt den Vorsitz der Sektion Coburg im Süddeutschen Schaustellerverband. „Wir sind mit den Nerven am Ende“, sagt er. Denn für ihn fühlt sich die Situation doppelt und dreifach verzwickt an. Schon vor Monaten hatte er die Bestellung für den Glühwein und Hunderte Liter Glühbier aufgegeben. Extra eingebraut für seinen Stand. Kürzlich traf der Glühwein bei ihm und seinem Sohn Kevin ein. Da schwante ihm schon, dass er zu viel geordert hat. Seit dem 1. Dezember darf nun endlich verkauft werden. Der Geruch des Heißgetränks steigt verführerisch in die Nase. Dennoch Geselligkeit gleich null. Denn Trinken am Stand ist untersagt. Der Glühwein kommt in Flaschen auf den Tresen. „To-Go“.

Es gab auch mal einen Plan B. Er sah einen fast normalen Betrieb vor. Nur ganz so voll wie in den Vorjahren sollte es am Marktplatz nicht sein. Lediglich 1200 Personen wollte die Stadt gleichzeitig im Marktareal zulassen. Selbst als die Absage klar und unumstößlich war, suchten Verwaltung und Marketing nach Alternativen. Sauerteig ließ prüfen, ob nicht wenigstens ein Verkaufsmarkt möglich wäre. Im Hinterkopf hatte er vor allem die Händler. Sie drohten erneut auf ihrer Ware sitzen zu bleiben. Doch auch Plan B war rechtlich nicht umsetzbar.

In unmittelbarer Nachbarschaft zum Stand von Ralf Pazdera verkauft Sandra Sturm Getränke aller Art: Glühwein, Kakao, Eierpunsch und Feuerzangenbowle. Trotz des nasskalten Wetters reicht die Schlange bis zur Markthalle. Die Standbetreiberin strahlt vor Freude. Seit 30 Jahren ist sie auf dem Coburger Weihnachtsmarkt dabei. Sie zählt schon fast zum Inventar. „Erzähl doch deinen Freunden, dass wir jetzt auch Glühwein mit Schuss verkaufen dürfen“, sagt sie zu einer Besucherin.
In ihrem Stand ist sie gut beschäftigt. Schenkt Glühwein aus. Bäckt leckere Crêpes. Kredenzt  Gulaschsuppe im Brotlaib.

Alternativ hat die Stadt den willigen Standbetreibern zumindest mal angeboten, Ihren Stand am Albertsplatz, Anger oder am Kaufhof aufzustellen. Originalton Stadtmarketing: „Diejenigen, die das wünschen, können ihre Bude in der Innenstadt aufbauen.“ So steht zum Beispiel das „Coburger Hexenhaus“ mit allerhand leckeren Naschereien am Anger.

Auch Familie Rilke hat ihren Stand am Ketschenanger platziert. Hier gibt es heiße Maroni. Die werden auf einem kleinen Kachelofen gebraten. So bleiben auch Standbetreiber und Besucher warm. In normalen Jahren der Renner auf dem Markt. Maria Rilke ist erleichtert, dass sie überhaupt mit dabei ist. „Die Freude war riesig.“  Allerdings läuft das Geschäft nur schleppend.

Ein ganzes Stück weiter, gefühlte 20 Minuten Fußmarsch, hat Miriam Lange ihren Stand platziert. Hier hängen riesengroße Schinken von der Decke. Eng an Eng. In der Theke liegen Dutzende Pasteten. Die Auswahl ist groß: von der Gans, vom Schwein, vom Rind – für jeden Geschmack. „Wir holen hier immer unsere Wurst für Weihnachten. Das ist schon Tradition bei uns“, berichtet eine Besucherin. Sie ist offenbar froh, ihre geliebte Pastete zum Familienfest genießen zu können.

Viele Besucher und Standbesitzer wirken trotz der widrigen Umstände zufrieden. Immerhin ist ihnen trotz der bayernweiten Absage ein Markterlebnis beschieden. Zwar sind die Wege weiter, aber die Freude über ein wenig Gesellschaft dafür umso größer. Vieles ist anders als sonst. Und doch verströmen Glühweinaroma und Mandelduft ein wenig Atmosphäre. Wenigstens Plan C ist aufgegangen.

Posted by Willy Rebhan in Genuss & Leben, Unser Oberfranken
Tristesse statt Lichterglanz

Tristesse statt Lichterglanz

Von Willy Rebhan

In ganz Bayern hatten sich Menschen auf ihren Weihnachtsmarkt gefreut. Freunde treffen. Glühwein trinken. Leckereien genießen. Doch erneut die Enttäuschung. Bayernweit sind alle Weihnachtsmärkte abgesagt. Auch im Herzen von Coburg herrscht Tristesse statt Lichterglanz. Doch diese Entscheidung ist nicht nachvollziehbar. Soviel Doppelmoral schwer erträglich .

Klar, die Inzidenzen und Fallzahlen steigen weiter. Doch während Weihnachtsmärkte nicht einmal unter 2G-Plus-Regeln stattfinden dürfen, schert man sich andernorts wenig um die Pandemie. Beim Bundesliga-Spiel Köln gegen Gladbach sitzen, stehen und gröhlen mehr als 50.000 Menschen im Stadion. Ohne Abstand. Ohne Masken. Ohne Hemmungen. Klar, anderes Bundesland. Aber wieso muss angesichts einer deutschlandweiten Katastrophe wie Corona jede Landesregierung ihre eigenen Spielregeln durchdrücken?

In Bayern sind wir es gewohnt, immer die strengsten Auflagen zu haben. Es hatte sich schon angedeutet. Exakt einen Monat vor Heiligabend und eine Woche vor der geplanten Eröffnung die frostige Ansage: Der Coburger Weihnachtsmarkt ist abgesagt. Selbst die ausgeklügelten Maßnahmen der Stadt haben die Staatsregierung nicht überzeugt. Obwohl doch alles draußen, an der frischen Luft, stattgefunden hätte. Also nicht einmal dieses Hygienekonzept der Coburger, mit Netz und doppeltem Boden, reichte aus. Geimpfte und Genesene hätten sich sogar zusätzlich testen lassen.

Es wäre der richtige Schritt gewesen. Hin zum echten Leben. Und wieder trifft es diejenigen, die sich seit Beginn der Pandemie an alle Vorgaben halten. Abstand. Maske. Impfung. Trotzdem kein Weihnachtsmarkt. Doch ist das wirklich fair? Die Schausteller hatten bereits ihre Waren eingekauft und auf etwas Umsatz gehofft. Vor allem, weil sie bereits im vergangenen Jahr eine Nullnummer verkraften mussten. Viele Medien berichteten zurecht darüber, dass die Corona-Krise Künstler, Gastronomen und Selbstständige am härtesten trifft.

Nein, all das ist alles andere als fair. Und nochmals nein: Es war keine sinnvolle Entscheidung. Viele Coburger hatten sich auf ihren Weihnachtsmarkt gefreut. Nach knapp zwei Jahren Pandemie wäre das ein Signal der Hoffnung gewesen. Frei nach dem einstigen Trainer von Eintracht Frankfurt, Dragoslav Stepanovic. Jener pflegte nach Niederlagen zu sagen: „Lebbe geht weiter.“ Aber: Das Leben muss wohl noch ein bisschen warten. Solange, bis Politiker nicht nur panikartig reagieren, sondern ein Gespür für die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger entwickeln.

Posted by Willy Rebhan in Unser Oberfranken

Vertrauenspakt mit dem Raubtier

 

 

 

Wenn Tobias Lindemann in seine Trillerpfeife bläst, spitzt Diana die Ohren. Dann läuft sie los. Sie kennt dieses Geräusch, sie kennt den Weg: Durch das hohe Gras, vorbei an den vielen Bäumen, direkt auf die Felsformation zu. Hinter dem letzten Felsbrocken macht sie Halt und lugt vorsichtig hervor. Als Lindemann ihr einen Leckerbissen zuwirft, traut sie sich näher zu kommen. Elegant schleicht sie sich den kleinen Hügel hinauf, springt auf den obersten Stein und setzt sich dort hin. Diana ist eine ausgewachsene Luchs-Dame mit hellen Augen, großen Pfoten und langen schwarzen Pinseln an ihren Ohren. Wenn sie hier auf den Felsen sitzt, wirkt sie entspannt und scheint die Sonnenstrahlen zu genießen. Trotzdem bleibt sie aufmerksam, beobachtet ihre Umgebung genau. Dass sich ein zweiter Luchs der Felsformation nähert, bemerkt sie zuerst.

Es ist Charles, Dianas Partner. 2013 wurde er geboren, er ist ein Jahr älter als Diana. Auch er tastet sich erst langsam heran bevor er schließlich zu seiner Partnerin auf die Felsen klettert. Lindemann belohnt die beiden Luchse mit toten Küken, die er ihnen zuwirft. Charles reißt das Maul auf, Diana schnappt sich das Futter elegant mit der Pfote. Tobias Lindemann dreht sich von den Luchsen weg. „Sowas gibt es nur hier“, sagt er, „nirgends sonst sind die Luchse so zutraulich und friedlich.“ Hier- das ist der Wildtierpark Mehlmeisel. Lindemann arbeitet dort als Tierpfleger, für Diana und Charles ist Mehlmeisel ein Zuhause, in dem sie sich wohlzufühlen scheinen.

Diana – eine der drei Luchse im Wildtierpark Mehlmeisel. (Bilder: Marina Richtmann)

Diana – eine der drei Luchse im Wildtierpark Mehlmeisel. (Bilder: Marina Richtmann)

Albert, Bubi, Cäsar

Neben den drei Luchsen Charles, Diana und Viktor leben im Tierpark Mehlmeisel noch viele weitere Tiere: Von Dachs Erich, Birkhahn Albert und Wildschwein Margit über Fuchs Karli und Waschbär Bubi bis hin zu den Nonnengänsen Gundel und Klaas und dem Hirsch Hubertus. Hier trägt jedes Tier einen Namen. Hubertus wurde zum Beispiel nach dem „Heiligen Hubertus“ benannt, dem Schutzpatron der Jäger. Von diesem Mann wird eine Sage erzählt: Angeblich erschien dem Jagdfrevler Hubertus ein weißer Hirsch. Nach dieser außergewöhnlichen Begegnung verschrieb er sich der Kirche und wurde zum Schutzpatron der Jäger. Der Name Hubertus passte perfekt zum Rothirsch im Wildpark – denn Hubertus ist ein weißer Hirsch, sogar der einzige weiße Rothirsch Bayerns. Er lebt hier im Wildtierpark Mehlmeisel gemeinsam mit seinen rot-braunen Artgenossen „Zaun an Zaun“ mit den Luchsen und den Wildschweinen. Heute scheint Hubertus aber keine Lust zu haben, von den Besuchern bestaunt zu werden: Der weiße Hirsch lässt sich nicht blicken.

Liebe und Ehrlichkeit gegen den Arbeitsstress

Bei Hubertus‘ Nachbarn im riesigen Wildschwein-Gehege geht gerade das Gatter auf und Tierpfleger Tobias Lindemann tritt herein. Er muss nur wenige Schritte ins Gehege machen, da kommt ihm auch schon ein Wildschwein entgegen. „Hey Ludwig!“ ruft er und geht in die Hocke. Ludwig grunzt, sein Schwanz wackelt begeistert. Lindemann fährt ihm mit der Hand durch die Borsten. Ein zweites Wildschwein nähert sich. Es ist Keiler Benedikt. Lindemann steht auf, läuft ein Stück weiter ins Gehege hinein. Benedikt folgt ihm und stupst mit der Nase an Lindemanns Fuß. Als der Tierpfleger ihn streichelt, grunzt Benedikt begeistert und wirft sich auf den Boden. Lindemann kniet sich hin und streichelt weiter. Benedikt wirkt entspannt, es scheint ihm zu gefallen. „Tiere sind ehrlich“, sagt Lindemann. „Sie machen deutlich, ob sie etwas mögen oder nicht.“ Er grinst Benedikt an, der vor ihm auf dem Boden liegt. Man merkt deutlich, dass Lindemann den Tieren vertraut – und auch, dass dieses Vertrauen auf Gegenseitigkeit beruht.

Seit einem Jahr arbeitet Tobias Lindemann hier im Wildpark Mehlmeisel als Tierpfleger. Wenn man ihn fragt, was ihm an seinem Beruf am besten gefällt, lacht er und überlegt dann kurz. „Das ist eine gute Frage“, sagt er dann. „Im Grunde ist es das, was man von den Tieren zurückbekommt. Genau das hier.“ Lindemann schaut zu dem Wildschwein vor seinen Füßen. „Wenn man bei den Wildschweinen zum Beispiel die frisch geworfenen Jungtiere anschauen darf und die Mutter einfach liegen bleibt und dir quasi sagt: Schau mal her, meine neuen Jungtiere. Das ist das schönste an diesem Beruf“, ergänzt er. Der Tierpfleger liebt seinen Job – auch wenn der ihm einiges abverlangt: „Als Tierpfleger ist man jeden Tag bei jedem Wetter draußen, die Arbeit ist körperlich sehr schwer.“ Er versorgt die Tiere, kontrolliert ihre Gesundheit, hält Führungen, organisiert Futter und pflegt die Gehege – egal ob die Sonne siedend heiß herunterbrennt oder ob der Park fast im Schnee versinkt. Die Tiere brauchen ihn. Und Tobias Lindemann ist für sie da.

Die Tiere genießen die Streicheleinheiten von Tierpfleger Tobias Lindemann.
Die Tiere genießen die Streicheleinheiten von Tierpfleger Tobias Lindemann.

Über den Köpfen der Wildschweine

Während der Tierpfleger die Wildschweine versorgt, beobachtet ihn eine Schulklasse interessiert. Die Kinder besuchen die fünfte Klasse einer Thüringer Realschule. Ihre Schullandheim-Fahrt verbringen sie im Fichtelgebirge. „Wir waren schon auf dem Ochsenkopf und auf der Luisenburg“, erzählt ein Junge, „aber heute ist der schönste Tag bis jetzt!“ Auch seine Lehrerin ist begeistert vom Wildtierpark: „Die Gehege sind groß und artgerecht. Und trotzdem kann man die Tiere von hier oben aus super betrachten.“ Hier oben – damit meint sie die großen Holzbrücken. Auf einer von ihnen steht die Schulklasse gerade. Das massive Bauwerk führt die Besucher direkt über die Tiergehege und bietet damit einen einzigartigen Ausblick über die großen Gehege.

„Schau mal, da unten sind zwei große!“ ruft ein Kind und lugt über das Geländer. Direkt unter der Brücke baden zwei Wildschweine. Von den Gästen hoch über ihnen lassen sie sich nicht stören. Auch Tobias Lindemann steht mittlerweile wieder auf der Holzbrücke. Er wirft einen prüfenden Blick ins Rotwild-Gehege. Dort scheint alles gut zu sein. Und der weiße Hirsch Hubertus? – Der lässt sich noch immer nicht blicken. „Die Tiere haben Orte, an denen sie ungestört sind. Die Gehege sind groß, die Tiere können selbst entscheiden, wo sie sich aufhalten“, erklärt der Tierpfleger und setzt seinen Rundgang fort.

Auf den Brücken über den Gehegen können die Besucher die Tiere bestens beobachten.
Auf den Brücken über den Gehegen können die Besucher die Tiere bestens beobachten.

„Respekt“ ist das Zauberwort

Für Lindemann geht es jetzt zu Charles, Diana und Viktor, den drei Luchsen. Auch Viktor hat gerade keine Lust auf Besuch. Nur Charles und Diana pirschen sich heran und springen auf die großen Felsen. Die Luchse wirken entspannt, sie sind an fremde Menschen gewöhnt. Manchmal dürfen Fotografen ins Luchsgehege. Dann posieren die Luchse, die großen Kameras klicken nah vor den Schnauzen der Tiere. „Solche zahmen Luchse habe ich sonst noch nirgends gesehen“, erzählt Lindemann. Während er spricht, dreht er sich von den Tieren weg. Diana kaut weiter genüsslich an einem Leckerli, Charles hat sich auf einen Felsen gesetzt und blickt in die Ferne. „Genau das meinte ich“, sagt der Tierpfleger. „Ich weiß genau, dass ich den Luchsen ohne Probleme den Rücken zudrehen kann. Sie respektieren uns, wir respektieren sie – das ist einfach ein wunderschönes Erlebnis!“

Er wirft Diana noch einen letzten Leckerbissen zu. Sie fängt ihn. „So, das reicht aber jetzt“, sagt Lindemann dann. „Gleich ist es vierzehn Uhr. Da führe ich eine Schulklasse durch den Park.“ Er steigt durch das hohe Gras zurück zum Gatter. Diana bleibt auf dem Felsen sitzen, Charles springt elegant nach unten und verschwindet hinter den Bäumen. Wenn Tobias Lindemann mit der Schulklasse am Gehege der Luchse ankommt, wird es wieder einige Leckerbissen geben. Ob die Luchse sich ihre Belohnungen dann abholen wollen, weiß der Tierpfleger noch nicht. Die Tiere entscheiden selbst, ob sie kommen wollen. Doch die Chancen dafür stehen gut – Denn wenn Tobias Lindemann in seine Trillerpfeife bläst, spitzt Diana meistens die Ohren. Und dann läuft sie los.

Tobias Lindemann weiß, dass Charles und Diana (hinten, von links) ihn nicht angreifen.
Tobias Lindemann weiß, dass Charles und Diana (hinten, von links) ihn nicht angreifen.

Hier befindet sich der Wildtierpark Mehlmeisel:

Posted by Marina Richtmann in Marina Richtmann, Orte & Freizeit, Unser Oberfranken
Weithin sichtbar und absolut sehenswert: die Plassenburg

Weithin sichtbar und absolut sehenswert: die Plassenburg

Ungeahnte Schätze in Kulmbach

Die imposante Plassenburg ist ein Wahrzeichen Kulmbachs. Eine Besichtigung der Festung lohnt sich immer – nicht nur für Touristen, sondern auch für Einheimische.

Hier sind spannende Informationen zur Geschichte der Burg, der Stadt und der Region zu erleben. Die Burg beherbergt vier Museen mit abwechslungsreichen Sammlungen: das Landschaftsmuseum Obermain mit wechselnden Sonderausstellungen, das Deutsche Zinnfigurenmuseum, das Museum Hohenzollern und das Armeemuseum,

In den Museen der Plassenburg finden sich manch außergewöhnliche Schätze.

Posted by Tanja Freiberger in Orte & Freizeit, Tanja Freiberger, Unser Oberfranken