Unser Oberfranken
Mit allen Lappen gewaschen
Wasser ist zum Waschen da – das gilt in der Bierhauptstadt Kulmbach besonders. Neu ist dort allerdings, dass schon das Wasser allein zum Sauberwerden reicht.
„Es ist, wie es immer ist, und alles ganz einfach.“ Was ein bisschen schlicht klingt, beschreibt eine Kulmbacher Firma, die weder das Eine, noch das Andere ist, denn Caroline Schuberth macht die Dinge weder „wie immer“ noch „einfach“. Aber sie kann beides: Lakonisch und leidenschaftlich, London und lokal.
Und „lokal“, das heißt in diesem Fall Oberfranken, präziser Kulmbach. Denn hierher kehrte die studierte Marketing-Fachbereich nach Stationen bei Großbanken in Frankfurt und London zurück, mit der Idee, ihre Aufgabe daraus mitzunehmen, nicht aber die Zwänge und Einschränkungen im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
„London ist toll, wenn man Single ist“
Das war vor vor als einem Jahrzehnt, wenn Caroline Schuberth heute über Kulmbach spricht, dann klingt das warm, selbstverständlich, so wie jemand spricht, der genau weiß, wo er hingehört. „Ich bin selbst sehr ländlich aufgewachsen, und genau das wollte ich für meine Kinder auch“, sagt sie, mit Blick zurück auf eine Zeit in gläsernen Banktowern an Main und Themse.
Da die Kinder schon mehr oder weniger konkretes Ziel waren, und die Banken ihre fähige Marketingmitarbeiterin auch in einer Zeit nicht verlieren wollten, in der remote, in der Provinz sitzen und Life-Work-Balance in der konservativen Finanzbranche noch nicht selbstverständlich waren, packte Caroline ihre Koffer und kehrte zurück nach Oberfranken.
Agenturstart mit gefülltem Auftragsbuch
Im Gepäck nicht nur britische Souveniers, sondern vor allem einen bereits gefülltes Auftragsbuch, das den Start der eigenen Agentur – „Essence“ gibt es auch heute noch – sehr erleichterte. Von da an funktionierte vieles nach Plan, die Kinder kamen und wuchsen im beschaulichen Kulmbach auf, sicher, behütet, auf kurzen und vertrauten Wegen.
Doch dann – Caroline dazu „Es ist, wie es immer ist“ – war es die Abweichung von der Norm, das Spezialding, das dafür sorgte, dass die Unternehmerin die nächste Kurve in Richtung Innovation gelang: Die 2015 geborene Tochter litt an Neurodermitis – und zur Überraschung der Mutter herrschte ein Mangel an tauglichen Textilien.
„Es kann doch nicht sein, dass es so etwas nicht gibt!“
Doch der währte nicht lang, denn durch die Verbindnung von Weber-Know-how – die Großmutter war vom Fach – Bedarf und Unternehmergeist enstanden kurz darauf die „waschies“: Ursprünglich Waschlappen, auf eine besondere Weise aus speziellen Fasern gewebt, hochfunktonional und hygiensich, da auf 95 Grad waschbar.
Eigentlich als Sonderanfertigung für den Privatgebrauch gedacht, ließ die Größenordnung – 300 Meter Mindestabnahmemenge seitens der Weberei – dies nicht zu, für Caroline Schuberth, keine Frage: „Da machen wir was draus.“
Heute, einige Jahre später, beschäftigt die waschies GmbH in Kulmbach acht Mitarbeitende, arbeitet nach viel Entwicklungs- und Marketingaufwand inzwischen kostendeckend und ist auf Expansionskurs.
Von Kulmbach in die Welt
So gibt es waschies inzwischen nicht mehr nur als Waschlappen, sondern auch als wieder verwendbare Abschminkpads, als Auftragepads und in diversen Variationen und Formen. Fast ebenso bunt ist die Produkte ist die Kundschaft: junge Frauen und Kinder, Hebammen und Pflegekräfte.
Der Vertrieb funktioniert weitestgehend online, über die sozialen Medien, doch auch in Kulmbach gibt es seit einiger Zeit ein Ladengeschäft. Es ist mehr Showroom als Umsatzbringer, öfter Videokulisse als Verkaufstresen, eher Fotostudio als Fachgeschäft.
Hier trifft man Caroline Schuberth, wenn sie zwischen Instastory-Dreh und Korea-Telefonat, von Kamerafrau zu Paketboten, vom Showwaschbecken zum Schreibtisch wirbelt. Denn sie hat noch eine ganze Menge vor, die Frau aus Kulmbach, die die weite Welt kennt, Bier trinkt, und sich mit Wasser nur wäscht.
Im Familientreff werden Wünsche wahr
Mehrgenerationenhaus

Kulmbach. Weihnachten verbinden viele Kinder mit Geschenken unterm Tannenbaum. Doch manche müssen darauf verzichten. Weil die Familie in schwierigen sozialen Verhältnissen lebt. Initiativen wie die jährliche Wunschzettel-Aktion der Geschwister-Gummi-Stiftung und der Diakonie sind deshalb besonders wichtig. Auch in diesem Jahr lassen sich dank Spenden viele Wünsche erfüllen.
Die Geschwister-Gummi-Stiftung setzt sich seit über 150 Jahren für das Wohl von Kindern, Jugendlichen und Familien ein. Zu den richtungsweisenden Projekten zählt der Familientreff im Kulmbacher Mehrgenerationenhaus. Zum Angebot gehören ein kinderfreundliches Café, Elternkurse, Mütterzentrum und Sportveranstaltungen. Erwachsene haben die Möglichkeit, sich über Erziehungsthemen auszutauschen. Rentner und Jugendliche können in der Werkstatt Ideen umsetzen oder im Second-Hand-Shop mitarbeiten. So entstehen Chancen für generationenübergreifende Dialoge. Gespräche über Kenntnisse, Erfahrungen und Lebensfragen.
Kinder finden in den Wohngruppen vorübergehend ein Zuhause, wenn es in der Familie zu Konfliktsituationen kommt. Das Ziel: Sie sollen sich gesund und behütet entwickeln können; idealerweise entstehen daraus sichere Bindungen. Die Wohngruppen erfüllen die Aufgabe, für Kinder in belastenden und dramatischen Lebenslagen eine beschützende Atmosphäre zu schaffen. Fachpersonal begleitet diesen Prozess mit Krisenintervention, Diagnostik, individueller Therapie und Perspektivenförderung. Langfristig soll die Bindung zwischen Kindern und Eltern stabil und verlässlich werden, ein Zusammenleben wieder möglich sein.

Auch Hort, Ganztagsschule und Mittagsbetreuung zählen zum Angebot der Geschwister-Gummi-Stiftung. Bildung, Betreuung und Erziehung stehen im Fokus. Soziale Fachkräfte hören den Schülern zu. Sie spielen mit ihnen, nehmen die Bedürfnisse der jungen Menschen ernst und begleiten sie in ihrem Alltag. Hausaufgaben-Hilfe, Naturerlebnisse, Musik- und Sportunterricht – jedes Kind soll individuell die passende Beschäftigung finden. Auch in den Ferien.
Für die Umsetzung der sozialen Projekte sind die Initiatoren auf Spenden aus der Bevölkerung angewiesen. Noch bedeutender: staatliche Förderung. Diese wurde Anfang des Jahres für acht weitere Jahre genehmigt. Das neue „Bundesprogramm Mehrgenerationenhaus. Miteinander – Füreinander“ stützt das Projekt mit jährlich 40.000 Euro. Eine Bestätigung für das Konzept des Mehrgenerationenhauses.
„Wir unterstützen unsere Familien, Alleinstehende, Paare, jüngere und ältere Menschen. So gut es geht, damit wir alle gestärkt aus dieser Zeit herauskommen, um dann wieder neu durchzustarten“
Elsbeth Oberhammer, Leiterin des Familientreffs, ist optimistisch, trotz der pandemiebedingten Probleme während der vergangenen zwei Jahre. Bundesweit gibt es über 530 vergleichbare Einrichtungen. Zu ihren Befürworterinnen zählt die ehemalige Bundesfamilienministerin Franziska Giffey:
„Die Mehrgenerationenhäuser sollen dazu beitragen, gute Entwicklungschancen und faire Teilhabemöglichkeiten zu schaffen – für alle Menschen, die in Deutschland leben. Gleichwertige und bessere Lebensverhältnisse fangen im Konkreten mit der Begegnung von Menschen an.“


Schuften im Schlaraffenland
Zu Besuch in der Esther Confiserie
Schuften im Schlaraffenland
Grafendobrach – Wie oft nascht eigentlich ein Pralinen-Hersteller? Ständig. Sagt zumindest Peter-Alexander Pelz. Das hat vor allem mit Qualitätskontrolle zu tun. Denn was süß daherkommt, entspringt harter Arbeit. Pralinen-Liebhaber akzeptieren nichts Minderwertiges. Diese Erfahrung machte vor 30 Jahren sein Vater. Damals noch als Kunde. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Werksverkauf in Grafendobrach. Champagner-Trüffel in Tüten. Glasierte Früchte. Schokoladenbruch mit Haselnüssen. Bunte Schleifchen. Eierlikör-Flaschen aufgereiht wie Bowling-Pins. Ein wahres Farbenmeer. Willkommen im Schlaraffenland! Mit einem strahlenden Lächeln empfängt der Juniorchef und Inhaber der Manufaktur die Besucher. Wache Augen hinter einer Brille mit großen umrahmten Gläsern. Die Arbeitskleidung schlicht. Weste und Kappe. Ein weißer Kittel mit Schokoladenspritzern.
Der Chef wirkt selbstbewusst. Souverän. Kompetent. Die Esther Confiserie ist ein Familienunternehmen in zweiter Generation. Zur Gründung der Firma trug ein eher enttäuschendes Erlebnis bei. „Mein Vater schenkte meiner Oma mal sehr schlechte Pralinen. Er hat sich dann schnell in den Kopf gesetzt, dass er das selbst viel besser kann.“ 1992 gründete der Senior das ungewöhnliche Unternehmen. Heute steht die Marke für handgemachte Pralinen und Schokoladen auf hohem Niveau.

(Foto: Michael Winkel)

(Foto: Michael Winkel)
Früher Morgen. Der Inhaber auf dem Weg in die Produktion. Heute stehen Wodka-Trüffel auf dem Plan. Der traumhafte Geruch von heißem Kakao erfüllt die Küche. So intensiv, dass man ihn förmlich auf der Zunge spürt. Der Schokoladen-Brunnen ist das Herzstück der Manufaktur. Eine Mitarbeiterin hält eine der unzähligen Tafel-Formen in den dickflüssigen Strahl. Auf Tischen stapeln sich leere Schablonen.
In der Pralinen-Station wabert die Ganache auf einem Ceranfeld. Ganache nennt der Fachmann die Füllung der Trüffel. Zucker, Butter und Sahne verschmelzen mit der flüssigen Schokolade zu einer Creme.
Nun heißt es kräftig rühren, bis sich alles gut vermischt. „Es ist ganz wichtig, durchgehend zu rühren, damit am Topfboden nichts anbrennt“, sagt Pelz, während er die Ingredienzien vermengt. Erst wenn die Masse perfekt gemixt ist, kommt die Hauptzutat: hochprozentiger Wodka. Während Pelz diesen in die Füllung gießt, spricht er etwas Spannendes an:
„Bis zum letzten Tropfen. Ganz wichtig. Der Alkohol ist nämlich steuerfrei. Und zum Jahresende müssen wir penibel genau angeben, wie viel wir verbraucht haben. Sonst gibt es Ärger mit dem Hauptzollamt. Aus dem Grund müssen wir ihn auch wegsperren.“

(Foto: Michael Winkel)

(GIF: Michael Winkel)

(Foto: Michael Winkel)
Die inzwischen vier Kilogramm schwere Masse gießt er in den Trichter der Abfüllmaschine. Pralinen-Kugeln füllen ist Präzisionsarbeit. Von Hand. Im immer gleichen Takt schnellt der Hebel rauf und runter. Die Temperatur der Ganache ist entscheidend. „Ist sie zu heiß, schmelzen die Kugeln an ihrem Äquator. Ist sie zu kalt, kann man sie nicht mehr gut verarbeiten.“
Die Arbeit an dieser Maschine nimmt viel Zeit in Anspruch. Stunden. Die Charge Wodka-Ganache reicht aus, um alle Regale in der Produktions-Küche mit Pralinen zu füllen. „Jetzt müssen sie erst mal aushärten. Morgen kommt dann der Deckel drauf. Anschließend überziehen wir sie mit einer weiteren Schicht Schokolade oder dragieren sie.“ Unter Dragieren versteht man das Bestäuben der Pralinen mit einem süßen Puder unter stetiger Bewegung.

(Foto: Michael Winkel)

(Foto: Michael Winkel)

(Foto: Michael Winkel)
Für heute ist die Arbeit in der Produktion geschafft. Zumindest für den Chef. Seine Mitarbeiterinnen sind damit beschäftigt, Dutzende handgefertigte Schokoladen-Tafeln aus ihrem Korsett zu befreien. Jede einzelne ist ein Unikat. Und bereit für die Verpackungs-Station.
Szenenwechsel: Im Lager türmen sich mannshoch Kartons und Pralinenschachteln. Manche Stapel ragen so weit in die Höhe, dass sie bereits die Decke berühren. Andere sind so wackelig geschichtet, dass sie jeden Moment drohen einzustürzen. „Hier landet unsere Ware. Zum Beispiel Kommissionen und Bestellungen. Tatsächlich ist das Lager leerer als sonst, weil Weihnachten kommt“, sagt Pelz.
In der Verpackungs-Station sind auf einem drei Meter langen Tisch unzählige Pralinenschachteln aufgehäuft. Keine gleicht der anderen. Jeder Praline gebührt ihr eigenes Förmchen. Nachdem alles in der Box verstaut ist und der Deckel zugeklebt wurde, ziert noch eine braune Schleife die Packung.
„Schluss für heute.“ Ein langer Arbeitstag in der Esther Confiserie neigt sich dem Ende zu. Pelz wirft in der Küche noch einen letzten kritischen Blick auf die Tagesproduktion. Sieht gut aus. Endlich Feierabend im Schlaraffenland.

(Foto: Michael Winkel)
„Das Ziel ist auf jeden Fall, dass wir im regionalen Markt bleiben“
Ein Interview mit Ottmar Müller

Karsten Babucke traf zu einem Gespräch Braumeister Ottmar Müller
Ich treffe mich mit dem Braumeister der Brauerei Haberstumpf in Trebgast. Die Brauerei fällt mit ihren außergewöhnlichen Flaschen und einem innovativen Konzept auf. Die Brauerei in Trebgast befindet sich in einem alten Brauhaus. Das Sudhaus besteht schon seit vielen Generationen. Hier wird das Brauen noch mit der Hand durchgeführt. Aber auch der Umstand, dass der Besitzer wechselte und das viel erneuert wird, gibt Raum für Kreativität.
KB: Was sind deine Funktionen hier in der Brauerei.
Ottmar: Also ich habe vor ziemlich genau zwei Jahren hier angefangen, als Braumeister. Und hab die schöne Aufgabe, die alte Brauerei vom Herrn Wernlein in ein neues modernes Schmuckstuck zu verwandeln. Da dazu gehört, die komplette Brauereitechnik auf den neusten Stand der Technik zu bringen, um wieder adäquat Bierbrauen zu können.
KB: Das klingt nach einem spannenden Projekt. Hier wird sich bestimmt noch viel in naher Zukunft ändern. Aber seit wann gibt es eigentlich die Brauerei in Trebgast?
Ottmar: Die Brauerei geht eigentlich auf das Jahr 1531 zurück. Sprich, wir haben bald fünfhundertjähriges Jubiläum. Die Brauerei war ursprünglich bei der Kirche. Sie ist dann irgendwann aus allen Nähten geplatzt und so hatte man sich damals entschlossen, bei den Bierkellern einen Neubau zu machen. Um das Brauen größer zu gestalten und es für die Zukunft fähig zu machen.
KB: Die Familie Haberstumpf hatte die Brauerei seit 1830 in Familienbesitz. Doch bis jetzt hat sich einiges geändert. Besonders in den letzten Jahren gab es Höhen und Tiefen.
Es gab Höhen und Tiefen, das stimmt. Der August Haberstumpf hatte einen tödlichen Unfall im Gärkeller. So kam es, dass der Hans Wernlein die Brauerei übernahm. Wie die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den zwei sind, ist mir unbekannt. Bis vor zwei Jahren hatte er die Brauerei geführt und aus Altersgründen und mangels Nachfolger musste er aufhören. Gott sei Dank hat Herr Förtsch die Brauerei aufgekauft. So kann die Brautradition hier in Trebgast weiter gehen.

KB: Das war ja ein Glücksfall, dass der Herr Förtsch die Brauerei übernommen hatte. Wie erging es der Brauerei in der Pandemie?
Also es geht der Brauerei gut bergauf. Das Thema Corona war, so blöd wie es klingt, für uns nicht gerade das Schlechteste. Weil wir im laufenden Betreib die komplette Betriebstechnik austauschen konnten. Und von daher sehen wir die Situation mit einem lachenden und weinenden Auge. Wir hatten halt mehr Zeit Erneuerungen zu machen. Für uns hat das gerade gut gepasst für die Zeit des Umbaus.
KB: Mit einem neuen Besitzer ändert sich in der Regel viel. Was bedeutet der Wandel für die Brauerei Haberstumpf genau?
Zum einen neue Biersorten und zum anderen die Brauerei technisch den neuesten Stand zu bringen. Vorher gab es die üblichen 0,5-Liter-Flaschen und ein paar Sorten. Wir haben jetzt unser Helles – unser Rubin – als Standard-Biersorte. Wir fangen jetzt noch an alle Monate ein Spezialbier zu brauen. Jetzt haben wir gerade das „Hahnzwergla“, dann kommt der „Bock“, dann ist ein „Weizen“ angedacht und alles andere werden wir dann sehen.
KB: Es besteht die Legende, dass hier in Trebgast eines der ersten Zwickel-Bier gebraut wurden, ist das richtig?
Äh ja. Das war der Vorbesitzer.
KB: Was ist das Sortiment der Brauerei Haberstumpf?
Da haben wir unser Helles, das ist unsere Hauptsorte. Dann haben wir noch das „Rubin“. Das ist ein rötliches, malzbetontes Bier. Im Winter gibt es den „Bock“ – das Doppelbock. Aktuell gibt es das bernsteinfarbenes Fest Bier. Und was es die Monate danach gibt, das verrate ich noch nicht. Das wird eine Überraschung. (Lacht)
KB: Was ist die Zukunftsvision der Brauerei?
Das Ziel ist auf jeden Fall, dass wir im regionalen Markt bleiben. Wir wollen hauptsächlich in Bierwirtschaften unser Fassbier ausschenken. Hier vor Ort wollen wir natürlich den Biergarten verschönern und erweitern. Und natürlich mit neuen Bierspezialitäten die Gäste überraschen. Das war momentan noch nicht so möglich, weil wir durch die Umbaumaßnahmen einige Rückschläge einstecken mussten. Weil Leitungen korrodiert waren. Dann hatten wir Infektionen in den Leitungen. Das haben wir jetzt alles im Griff. Jetzt kann es nur noch aufwärts gehen.
Und als kleinen Geheimtipp: Es wird in ein paar Jahren einen Whiskey geben. Der lagert schon bei uns im Felsenkeller. Das heißt wir haben dort spezielle Whiskey-Bier Sude gemacht. Die sind wie die Bierwürze nur ohne Hopfen mit Torfmalz aus der Region. Das ist spezielles Malz, das gedarrt wurde, um diesem Malz einen richtigen, kernigen moorigen Charakter zu geben.

KB: Der Whiskey gehört jetzt nicht zu den fränkischen Spezialitäten. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, den Whiskey nach Oberfranken zu bringen.
Es ist überraschenderweise so, dass Deutschland mittlerweile mehr Whiskeybrennereien hat als Schottland. Und es gibt hierzulande auch immer mehr Whiskey-Liebhaber. So einen haben wir auch hier in unserem Betrieb und der kam dann auf mich zu. Also haben wir es einfach ausprobiert.
Der Ursprung im Vergleich zum Bier ist eigentlich dasselbe. Die Herstellung der Würze ist ähnlich wie beim Bier, nur dass die Stammwürze deutlich höher ist, da man viel mehr Alkohol braucht, um möglichst viel Whiskey zu bekommen.
KB: Warum soll man es nicht einfach machen?
Eben. Das ist das Schöne am Brauberuf, dass er so vielseitig ist. Wir haben mit Whiskey zu tun, mit Bier und wir haben freie Zutaten. Aus denen kann man so viel machen – verschiedene Biersorten und Whiskey. Das ist einfach super!
Als Braumeister ist es natürlich ein Glücksfall, in so ein Unternehmen zu kommen. Das man von Grund auf erneuern kann. Die Biersorten zu kreieren. Ein Team zusammen zu stellen. Das ist schon nicht alltäglich, dass man in so eine Gelegenheit kommt. Normalerweise ist man in einem Großbetrieb Abteilungsleiter im Sudhaus oder in der Abfüllerlei. Aber hier ist es immer spannend. Hier ist kein Tag gleich. Es gibt immer irgendwelche Probleme zu lösen. Und das ist genau das, was mir Spaß macht. Da gehe ich gern auf meine Arbeit.
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Feuerwasser aus dem Fichtelgebirge
Das Trebgaster Whiskey-Projekt
von Karsten Babucke

Not macht erfinderisch. Weil die Brauerei Haberstumpf nur noch schwer über die Runden kam, übernahm 2019 ein Investor das Unternehmen. Der modernisierte nicht nur Sudhaus und Braukeller, sondern auch das Sortiment. Jetzt kommt Whiskey aus Trebgast.
Seit Anfang Oktober lagert in den alten Bierkellern Hochprozentiges. „Hier, am Ortseingang nach Trebgast, wurde früher das Bier gekühlt“, berichtet Braumeister Ottmar Müller. Verwinkelt und verzweigt führen die Stollen in den Berg. Hinter einer Stahltür reift der neue Schatz der Brauerei. Über 27 Holzfässer ruhen hier. Mindestens drei Jahre müssen die Fässer liegen, bis sich der Inhalt Whiskey nennen darf.
Die Herstellung von Bier und Whiskey unterscheidet sich nur geringfügig. Als Grundlage für den Stoff dient ein spezieller Sud. Hierbei setzt Müller eine Bierwürze ohne Hopfen an. „Dazu kommt ein Torf-Malz, das unter einer sogenannten Darre gebrannt wurde.“ Durch diesen Prozess erlangt es einen kernig-moorigen Geschmack. Damit aus dieser Grundlage am Ende Whiskey entsteht, bedarf es eines großen Quantums Stammwürze. So entsteht ein wesentlich höherer Alkoholgehalt.
Nachdem die Brauerei in den letzten Jahrzehnten nur knapp über die Runden gekommen war, stieg 2019 ein neuer Investor ein. Bernd Förtsch machte nicht nur der veralteten Technik den Garaus. Er investierte in Sudhaus und Gärkeller. Und er schuf Raum für Innovationen. Der Braumeister und sein Team arbeiten jeden Monat an neuen Kreationen. Hierbei experimentieren die Lehrlinge auch mit eigenen Rezepturen. Das Sortiment erweiterte sich innerhalb weniger Monate. Einer der Mitarbeiter ist ein Whiskey-Fan. Er trug dem Braumeister die Idee vor, Whiskey zu produzieren. Müller und Förtsch stimmten zu.
Whiskey kommt ursprünglich aus Schottland und Irland. Nach schottischen Kriterien wird die Spirituose aus einer Getreidemalz-Maische gewonnen. Die Mischung muss einen Mindestalkoholgehalt von 40 Volumenprozent aufweisen. Je nach Getreideart erhält der Whiskey seinen Namen. So gibt es den Grain mit verschiedenen Weizensorten. Fast ausschließlich findet er Verwendung in Blended Whiskeys. Bourbon bezeichnet Whiskey, der überwiegend aus Mais besteht. Der Malt-Whiskey ist aus Gerste. Dabei wird auch noch zwischen Scotch oder Irish unterschieden – dem Herkunftsland.
Die Brauerei Haberstumpf verwendet eine Mischung aus verschiedenen Getreidesorten. Der Braumeister berichtet, dass in den letzten Jahren mehr Whiskey-Destillerien in Deutschland als in Schottland entstanden. „Bis der Trebgaster Whiskey auf den Markt kommt, dauert es noch einige Zeit“, sagt Müller. „Er muss jetzt erst mal drei Jahre liegen.“
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Erfolgreich in der Marktlücke
Ein Kommentar von Karsten Babucke

Kleine Privatbrauereien müssen ihr Heil in der Nische suchen. Dann bestehen sie auch im harten Konkurrenzkampf gegen die Biergiganten. Wie das funktioniert, zeigt die Brauerei Haberstumpf in Trebgast. Ein Unternehmen, das für traditionelles Brauhandwerk steht. Es entwickelt aber auch Ideen. Der Mix entscheidet: Tradition und Innovation.
Nach wie vor erweist sich die Marktlage als gut. Auch in Zeiten der Pandemie trinken die Deutschen viel Bier, wenn auch überwiegend zu Hause. Doch kleine Brauereien leben vor allem vom Ladenverkauf. Sie beliefern keine großen Getränkehändler, sondern bieten ihre Produkte im Biergarten oder direkt der Kundschaft an. Für Betriebe dieses Zuschnitts spitzte sich die Situation in den vergangenen Jahren weiter zu. Vor allem wegen der Megabrauereien, die den Markt mehr und mehr dominieren. Sie produzieren Unmengen industriell. Dank der Fernsehwerbung sind sie allgegenwärtig. Die Folge: extreme Konzentrationsprozesse. Kleine Brauereien sterben oder werden von Aktiengesellschaften aufgekauft. Diese wiederum gehen häufig in weltweit agierenden Konzernen auf.
Dieses Schicksal ist aber nicht unausweichlich. Voraussetzungen für ein Überleben sind unternehmerischer Mut, Kreativität und Offenheit für Wandel. Eigenschaften, die seit Jahren die Verantwortlichen in dem Trebgaster Unternehmen auszeichnen. Sie stehen exemplarisch für andere fortschrittliche und ideenreiche Brauereien in Oberfranken. Das Haberstumpf-Team repräsentiert selbstverständlich auch traditionelle Braukunst. In den Sudkesseln reifen Rubin, Zwickl, Helles und Bock. Streng nach bayerischem Reinheitsgebot. Ohne Chemie. Ohne Geschmacksverstärker. Ohne Farbstoffe. Vor allem ohne trendigen Schnickschnack exotischer Mischsorten.
Die Innovation zeigt sich manchmal in scheinbar kleinen, aber wichtigen Details, die zum Verkaufsschlager werden können. Haberstumpf beispielsweise kreierte die 0,75-Liter-Bierflasche. Ein Alleinstellungsmerkmal auf dem umkämpften Biermarkt. Die Idee: Sie lässt sich aufrecht im Kühlschrank neben Wein und Milch lagern. Damit setzte die Brauerei ein Ausrufezeichen in der Branche.
Mag ja sein, dass die Großbrauereien den Markt mit Pils und Kölsch beherrschen. Aber gerade in ländlichen Gegenden schwören die Verbraucher auf Bodenständiges und Bewährtes. Was Haberstumpf vorlebt, ist ein ermutigendes Signal für andere regionale Brauereien. Das Beispiel lehrt: Mut zur Nische, zahlt sich aus.
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Eine Reportage von Karsten Babucke
Über die Brauerei Haberstumpf

Oberfranken hat die größte Brauereidichte Deutschlands. Viele Dörfer haben mindestens eine Brauerei. Auf dem Biermarkt herrscht Konkurrenzkampf. Großbrauereien kaufen kleine Betriebe auf. Wer in diesem Wettbewerb überleben möchte, muss kreativ werden und mit der Zeit gehen. In Kulmbach ist die Brauerei AG ansässig, einen Ort weiter in Trebgast die Brauerei Haberstumpf. Mit neuen Ideen blickt das Team in die Zukunft.
Das Sudhaus: glänzende Kupferarmaturen auf mintgrünen Fließen. Mechanik wie aus einem anderen Jahrhundert. Kleine Bullaugen zeigen Temperatur oder den Druck an. Hier bedient der Braumeister das Brauen noch per Hand über die großen Ventilräder. Die Ventile und Anzeigen sind wie an einem Mischpult angeordnet. Der Kontrollraum des Sudhauses liegt im ersten Stock der Brauerei Haberstumpf. Hinterrücks ist eine Glasfront, die eine großartige Aussicht auf Trebgast und das Fichtelgebirge bietet. In der fränkischen Gegend befindet sich meistens der Läuterbottich oben und die Sudpfanne unten. Das heißt, die Abläuterung funktioniert üblicherweise mithilfe Schwerkraft. Hier ist es anders. Das Sudhaus mit den zwei Kesseln befindet sich hier auf einer Ebene. Es funktioniert über ein altes Pumpsystem. „Das ist sehr untypisch für die Region“, erklärt Ottmar Müller, der Braumeister. Das Sudhaus stammt aus dem frühen 20. Jahrhunderts und ist damit eines der ältesten der Region. Es fasst über 50-Hektoliter. Das entspricht ungefähr zehntausend Bierflaschen. Eines der ersten „Zwickl“ wurde hier gebraut. Es überstand Generationen der Familie Haberstumpf und die verschiedenen Besitzer der Brauerei.
Die Abfüllanlage: weiße Fließen, feuchte Luft. An den Wänden stapeln sich Dutzende Fässer mit Bierkästen. Hier wird das Gebräu abgefüllt. In Reih und Glied stehen sie da. Mit Engelsgeduld und Feingefühl steht der Braulehrling vor einer Armee aus Flaschen. Er bringt in Handarbeit das Etikett an. „Ich beklebe schon mal Hunderte Flaschen pro Tag. Das Sortieren in Kisten macht mir aber mehr Spaß“, beschreibt Moritz Stauber, der Auszubildende, seine Arbeit. Er feuchtet den Aufkleber in einer Schüssel voll Wasser an, dann platziert er ihn unter dem Schnappverschluss auf der 0,75 Liter Flasche. In Franken wird in der Regel in 0,5 oder 0,3 Liter abgefüllt. Doch die Flaschengröße ist ein Alleinstellungsmerkmal der Brauerei. „Mit der Glasbrennerei wiederum ein Gewächshaus erhitzt. So entsteht ein in sich geschlossener, autarker Kreislauf und die Flaschen können CO2-neutral produziert werden“, erklärt Müller seine Vision. „Weil wir im nächsten Jahr auf Bio-Bier umsteigen, wollen wir das Bier in einer klimaneutralen Flasche abfüllen.“ In die auffälligen Flaschen wird das Helle, das Hausbier, abgefüllt „Die Flaschen können auch aufrecht im Kühlschrank, neben Wein und Milch gelagert werden“, während das Doppelbock, das Rubin oder das Hahn Zwergla in kleinere Flaschen gezapft wird. In den kommenden Jahren werden hier über zwei bis viertausend Hektoliter Bier im Jahr produziert. Damit konzentriert sich die Brauerei besonders auf die Nische der Bierliebhaber und Feinschmecker. Das Kesselhaus: gelbe Wände und glänzende Gährkessel. Spiegelndes Metall. Frischer Estrich. Neue Fließen. Während der Vorraum noch alt und modrig riecht. Symbolträchtig für den aktuellen Wandel. Die Brauerei steckt mitten im Umbruch. Ein neuer Geldgeber bringt seit 2019 Aufschwung.
„Weil wir im nächsten Jahr auf Bio-Bier umsteigen, wollen wir das Bier in einer klimaneutralen Flasche abfüllen.“
Ottmar Müller
Das Kesselhaus: gelbe Wände und glänzende Gährkessel. Spiegelndes Metall. Frischer Estrich. Neue Fließen. Während der Vorraum noch alt und modrig riecht. Symbolträchtig für den aktuellen Wandel. Die Brauerei steckt mitten im Umbruch. Ein neuer Geldgeber bringt seit 2019 Aufschwung. Bernd Förtsch ein Unternehmer aus Kulmbach, hat in die Brauerei investiert. Eine große Chance für den Braumeister. Er kann ein neues Team aufbauen und den Betrieb auf den neuesten Stand bringen. „Mit einer Hebevorrichtung haben wir die Braukessel angehoben, um darunter den Boden zu erneuern“, beschreibt Müller. Gerade die schwierige Zeit der Pandemie bot dem neuen Team ausreichend Zeit, einen Neustart zu wagen. So läuft nach über einem Jahr Umbau der Braubetrieb wieder an. Bernd Förtsch ein Unternehmer aus Kulmbach hat in die Brauerei investiert. Eine große Chance für den Braumeister. Er kann ein neues Team aufbauen und den Betrieb auf den neuesten Stand bringen. „Mit einer Hebevorrichtung haben wir die Braukessel angehoben, um darunter den Boden zu erneuern“, beschreibt Müller. Gerade die schwierige Zeit der Pandemie, bot dem neuen Team ausreichend Zeit, einen Neustart zu wagen. So läuft nach über einem Jahr Umbau der Braubetrieb wieder an.
Die Schenke: eine rustikale Bar und eine breiter Treppenaufgang. Hier begrüßt Fachpersonal die Besucher und bringt sie in den zweistöckigen Gastraum. Dunkle Holzvertäfelungen an der Wand, helles Treppengeländer, rustikale Sitzgruppen. Auch hier herrscht Brauereigefühl pur. Ein großer Warmwassertank dominiert den Eingangsbereich. An der Theke gibt es die Kreationen der Brauerei frisch an der Theke abgezapft, während die Küche feinste italienische Küche serviert. Der Gastronom Blerim Ljimoni pachtet schon seit vielen Jahren die Schenke. Unter dem Namen „La Birreria“ servieren hier den Gästen italienische Kochkunst. Antipasti. Oktopus. Roastbeef. Liebevoll wird hier Fisch, Gegrilltes oder Pizza aufgetischt. „Ein schöner Ort, um gut zu Essen und dazu ein leckeres Bier zu trinken“, schreibt Carmen Penzel nach ihrem Besuch auf der Website.
Die Bergstraße nach Trebgast bietet Genuss für alle Sinne. Vom Dach bis zum Keller wandelt sich die Brauerei zu einem Schmuckstück. Biervielfalt. Experimentierfreude. Genießertum. Und so wird der Gasthof auch im neuen Jahr sicherlich wieder zum Besuchermagnet in Trebgast.
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„Ich bin auf der Reise geboren und ich werde auf der Reise sterben.“
Kevin Pazdera ist seit 2019 selbstständig. Er reist mit zwei
fabrikneuen Retrofoodtrucks durch die Region. Vom Coburger
Weihnachtsmarkt bis hin zur Michaeliskirchweih nach Fürth.
Pazdera stammt aus einer großen Schaustellerfamilie mit über 30
Angestellten. Eigentlich gibt es ihn aber schon viel länger auf dem
Weihnachtsmarkt.
Seit wann sind sie auf dem Coburger Weihnachtsmarkt und wie hat sich dieser über die Jahre verändert?
Ich selbst bin seit 2019 auf dem Weihnachtsmarkt, meine Eltern seit 45 Jahren. Wir haben alle Varianten mitgemacht: Von unserem eigenen Imbiss 1976 bis hin zu den Stadthütten. Der Weihnachtsmarkt hat auch schon am Schlossplatz stattgefunden.
Seit er am Marktplatz stattfindet, ist er einer der schönsten in unserer Region.
In dieser Zeit haben Sie sicher spannende Geschichten erlebt. Ist Ihnen da was Besonderes in Erinnerung geblieben?
Geschichten gibt es mehr als genug. Gute und schlechte. Das schönste für uns ist es dem Besucher ein paar schöne Stunden zu bereiten. Sie sollen den Alltag vergessen und einfach nur Spaß haben. Egal wie stressig es für uns ist oder wie unhöflich auch einzelne Kunden sein mögen. Franz Josef Strauß hat mal gesagt und das ist unser Leitfaden: „Lärm, der von einer Kirmes ausgeht, ist kein Lärm, sondern ein Ausdruck von Lebensfreude“.
Und gibt es bei diesem „Lärm“ auch gefährliche Situationen?
Sowas kommt in der Tat ab und zu vor, aber bei uns selbst Gott sei Dank noch nie. Schausteller achten sehr darauf, eine brenzlige Situation so schnell wie möglich aufzulösen.
Gab es für Sie als „Schaustellerkind“ je einen anderen Berufswunsch oder war immer klar: Das möchte ich auch!
Ich bin auf der Reise geboren und ich werde auf der Reise sterben.
Trotz meiner Ausbildung zum Elektiker war mir schon immer klar: Auch ich werde Schausteller. Dieser Job funktioniert nur, wenn man ihn mit Herzblut macht. Seit 2018 bin ich in einer neuen Beziehung, mit einer Frau die meine Leidenschaft für die Schaustellerei teilt. Sie könnte sich auch nichts anderes mehr vorstellen. Auch wenn die Zeiten für uns immer schwieriger werden. Viel Arbeit. Wenig Freizeit.
In den letzten zwei Jahren musste die „Reise“ ja pausieren: Können Sie uns
einen Einblick in diese Zeit geben?
Die letzten zwei Jahre waren für uns die Hölle. Es gibt nur minimale Hilfen, unsere Unkosten bleiben aber gleich. Als Beispiel: Man nimmt jemanden 90% seines Gehaltes weg und er soll gleichzeitig so Leben wie bisher. Alle Unkosten bleiben nämlich unverändert. Und vieles wird sogar teurer. Allen Schaustellern ergeht es so.
Es gab zwar in den vergangenen beiden Jahren riesige Veranstaltungen, aber Volksfeste waren verboten. In dieser Zeit habe ich mit meiner Firma Verluste in sechsstelliger Höhe gemacht. Das werden wir wohl nie wieder ausgleichen können.
Und haben Sie sich in der Zeit überlegt was anderes zu machen?
Einen neuen Job annehmen ist nicht möglich. Ab und an gibt es doch kleinere Veranstaltungen, die man annehmen muss. Wenn man diese nicht wahrnimmt, verschwindet man eben ganz von der Bildfläche.
Deshalb haben Sie sich auch entschieden ihren Stand an der diesjährigen
Version des Weihnachtsmarkts aufzubauen: Wie läuft es am neuen Standort?
Es läuft ganz gut. Wir können ein bisschen Geld verdienen und so doch die ein oder andere Rechnung bezahlen. Aber kein Vergleich zum Weihnachtsmarkt. Wir haben investiert, um unsere Geschäfte aufzumöbeln und Ware zu bestellen. Dann fällt es der Regierung kurzfristig ein, dass Weihnachtsmärkte nicht stattfinden dürfen. Da ist für uns eine Welt zusammengebrochen. Uns fehlt die Perspektive wie es
weitergehen soll. Es wird wohl mit Sicherheit 2022 auch keine Volksfeste geben und unsere Schulden werden ins Unermessliche steigen. Es ist auch nicht gerecht, dass wir schon um 18 Uhr schließen müssen während die „Normale“ Gastro bis 22 Uhr öffnen darf.
Was wünschen Sie sich für das Jahr 2022?
Wir Schausteller wünschen uns, dass das alles endlich ein Ende hat. Wir wünschen uns, dass Volksfeste wieder erlaubt werden, wir wieder arbeiten dürfen und wir endlich wieder unser Leben leben können.


Ein soziales Projekt im Kampf gegen die Bürokratie

Das Mehrgenerationenhaus in Kulmbach ist ein Segen für die ganze Region. Vorbildlich kombiniert die Einrichtung Kinderbetreuung, Integration und Angebote für Senioren. Beispielgebend. Richtungsweisend. Ganzheitlich. Doch die Förderung lässt zu wünschen übrig. Was der Leiterin die Arbeit erschwert: Ein Wust an Bürokratie, zu wenig Geld, zu viele unklare Regeln. Fast jeder Antrag gleicht einer wissenschaftlichen Arbeit. Das muss sich deutlich bessern.
Dabei hat dieses Projekt so viel Nutzen und Mehrwert für gesellschaftliche Randgruppen zu bieten. Ehrenamtliche Sprachpaten unterstützen Geflüchtete bei Alltagsfragen. Sie helfen bei schulischen Angelegenheiten, bereiten auf Deutschprüfungen vor oder telefonieren mit Ämtern und potenziellen Arbeitgebern. Die Liste ließe sich endlos fortführen.
Kurzum: Von dem, was die Kulmbacher Institution leistet, profitieren viele benachteiligte Menschen. Das Klima dort wirkt herzlich und eröffnet Perspektiven. Die geflüchteten Frauen fühlen sich sichtlich wohl in der vertrauten Atmosphäre mit den Sprachpaten. Ein weiterer Vorteil: Ihre Kinder werden nicht als störend empfunden, sondern sind willkommen. So gelingt Integration.
Das Konzept bietet einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen. Das sollten staatliche Stellen auch angemessen honorieren. Mit einer Förderung, die für die Aufgaben ausreicht. Vor allem gilt es, die Anträge zu vereinfachen.
Laut einer bundesweiten Umfrage unter ehrenamtlichen Kräften vergeuden diese rund zwei Drittel ihrer Arbeitszeit mit Bürokratie. Auch die Datenschutz-Grundverordnung hat zusätzlichen Aufwand erzeugt.
In Summe eine Zumutung. Demotivierend. Nervig. Zeitraubend.
Ist es nicht so, dass die vormalige Große Koalition sich die Stärkung der Zivilgesellschaft auf ihre Fahnen geschrieben hatte? Die Realität: Für Initiatoren ist es oft schwer zu durchschauen, ob sie ihre Förderung auf Länder- oder Bundesebene beantragen müssen. Besser wäre eine große bundesweite Förderung, auf die alle sozialen Projekte Anspruch haben. Zudem ist das Mehrgenerationenhaus auf Spenden angewiesen. Von den Fördergeldern allein würde sich das Projekt nicht tragen. Daher muss der Bund ein deutlich größeres Fördervolumen bereitstellen und den Verwaltungsaufwand deutlich reduzieren. Nur dann werden mehr solcher Projekte entstehen. Und nur dann können davon mehr benachteiligte Menschen profitieren. Für die künftige Ampelkoalition sollte dies zur Pflichtaufgabe werden.
