Kindheit

ASCOLINO – Bilingualer Kindergarten

ASCOLINO – Bilingualer Kindergarten

Am 7. Januar 2020 öffnete der bilinguale Kindergarten „ASCOLINO“ in Coburg seine Pforten. Die Idee dazu stand bei der überregional bekannten Sprachenschule ASCO schon lange im Raum. Multilinguale Kommunikationsfähigkeit sowie interkulturelle Kompetenzen gelten heute als Schlüsselqualifikationen und Mehrsprachigkeit fast als ein „Muss“ für jeden EU-Bürger. Forschungen haben ergeben, dass (Fremd-) Sprachenlernen meist dann am erfolgreichsten ist, wenn möglichst früh damit begonnen wird – das heißt am besten noch vor dem Englisch-Unterricht in der Grundschule.

Dass Kinder bilingual erzogen werden, ist keine Seltenheit: Nach Angabe der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft wächst heute mehr als die Hälfte aller Menschen mit mehr als einer Sprache auf. Insgesamt gibt es etwa 6000 – 7000 Sprachen und beinahe 200 in der UN vertretene Staaten. Wenn man diese Zahlen in Beziehung setzt, wird klar, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass ein Kind ein Leben lang mit nur einer einzigen Sprache konfrontiert wird. Umso besser, wenn es gut vorbereitet ist.1  4

Das sprachliche Lernvermögen

Viele Wissenschaftler haben sich mit der Frage beschäftigt, warum Kinder, die früh mit einer Fremdsprache in Berührung kommen, diese mit größerer Wahrscheinlichkeit zur Vervollkommnung bringen. Nach Angaben von W. Klein vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen (Niederlande) wächst das Kommunikations- und Satzkonstruktionsvermögen mit dem Erlernen einer neuen Sprache bei jungen wie bei älteren Menschen. Die Fähigkeit, Lautfolgen zu kopieren, nimmt jedoch mit der Zeit ab. Bei Kindern könnte die Motivation indessen höher sein, eine Sprache perfekt zu beherrschen, denn sie müssen sich erst noch eine soziale Identität in einer Gemeinschaft aufbauen. Diese höhere Motivation führt demnach zu besseren Resultaten.1 2

One person, one language

Es lohnt sich, eine Fremdsprache früh zu erlernen, betont auch Sabine Groh, Leiterin des ASCOLINO-Kindergartens: „Wenn ein Kind von Anfang an eine Sprache als Muttersprache lernt, und diese sich gefestigt hat, dann gibt es für andere Sprachen überhaupt kein Problem mehr“. Entscheidend sei dabei, dass das Erlernen der Fremdsprache kontinuierlich von Muttersprachlern begleitet wird.

„Wir haben bei uns im Kindergarten einen Native Speaker, das heißt jemanden, der sich dann wirklich nur in der Fremdsprache, bei uns Englisch, mit den Kindern unterhält“, erklärt sie. Diese Maßnahme folge dem „One person, one language“ – Prinzip, das 1902 von dem französischen Linguisten Maurice Grammot entwickelt wurde, um „Sprachverwirrung“ vorzubeugen. Es fällt den Kindern so leichter, verschiedene Sprachen und Kulturen auseinander zu halten.3

Muttersprachler im Team zu haben sei auch dahingehend von Vorteil, dass sie sich authentisch verständigen und die Klangfarbe der Sprache unmittelbar an die Kinder weitergeben können, erklärt Groh weiter. Konventioneller Englisch-Unterricht, der nur sporadisch oder durch längere Perioden des Nicht-Lernens unterbrochen werde, könne bei Kindern nicht die gleichen Erfolge erzielen – „Es ist einfach etwas ganz anderes, wenn die Kinder die Sprache immer wieder im Alltag anwenden“, hält sie fest.

Barrieren abbauen

Das muss nicht immer von Beginn an perfekt klappen. Auch Sprachbarrieren abzubauen, ist ein Ziel der Erzieher. „Irgendwie kann man sich immer verständigen“, behauptet Groh, „man muss es nur versuchen. Und je öfter man es versucht, desto eher ist man am Ende in der Lage, sich zu verständigen“. Später können Sprachen viele Türen öffnen – zu höheren Bildungseinrichtungen oder internationalen Unternehmen, aber auch zu fremden Kulturen und neuen Bekanntschaften.

Dass viele Eltern diese Ansicht teilen, zeigt die große Nachfrage nach ASCOLINO – Kindergartenplätzen. Die aktuell angebotenen 25 Regelplätze für Kinder im Alter von 2,5 bis 6 Jahren sind bereits vergeben, aber die Zahl der Interessenten reißt nicht ab. „Wir haben tatsächlich auch schon viele Anfragen von Familien aus dem Ausland bekommen,  die nach Coburg ziehen werden“, erklärt Sabine Groh. Grundsätzlich stehe ASCOLINO jedem Kind offen, fährt sie fort, ungeachtet dessen, ob es selbst einen bilingualen Hintergrund aufweist oder auf Wunsch der Eltern dabei ist.

Mittelfristig sollen mindestens 50 Plätze angeboten werden – mit der langfristigen Option einer Erweiterung um eine Krippengruppe. Da ein Ausbau bestehender Räumlichkeiten nicht möglich war, musste der Kindergarten vorerst auf eine Containerlösung in der Alexandrinenstraße  ausweichen. Auch hier sei langfristig geplant, einen festen Standort zu finden, erklärt Groh. Voraussetzung für alle Maßnahmen ist allerdings eine Entfristung der zugewiesenen Betreuungsplätze durch die Stadt Coburg.

(1) Vgl. Prof. Dr. Klein, W. (Max-Planck-Institut für Psycholinguistik): „Mechanismen des Erst- und Zweitspracherwerbs“, in: Sprache · Stimme · Gehör, 2007; 31, p. 138 – 143.

(2) Vgl. hierzu auch: Bialystok, Ellen: „Bilingualism: The good, the bad, and the indifferent*“, in: Bilingualism: Language and Cognition, 12 (1), 2009, p. 3–11.

(3) Vgl. Barron-Hauwaert, Suzanne: The One-Parent-One-Language Approach. Multilingual Matters, Clevedon 2004, p. 1ff.

(4) Vgl. Deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft: „Mehrsprachigkeit. Können Kinder nur eine Sprache gleichzeitig lernen?“, URL: https://dgfs.de/de/thema/bilingualer-erwerb.html [letzter Aufruf: 22.03.2020].

Mehr Informationen gibt es hier: https://ascolino.de/

Wer sich für das Thema „Kindergarten“ interessiert, kann sich hier weiter umsehen:

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Posted by Ann-Kathrin Fischer in Ann-Kathrin Fischer, Kindheit, Pädagogische Projekte für Kinder/Jugendliche
Religion und Glaube – Im Wandel der Zeit

Religion und Glaube – Im Wandel der Zeit

Ein Interview mit Pfarrer Ulrich Winkler

Themenschwerpunkte im Interview:

Audioslideshow Petrikirche

Der Glaube im Wandel der Zeit

Woran kann es Ihrer Meinung nach liegen, dass Kinder heutzutage weniger Interesse an Religion zeigen?

Kinder haben heute nicht weniger Interesse an religiösen Fragen. Interesse hat man dann, wenn man die Relevanz einer Angelegenheit für sich selbst erkennt. Die Relevanz der religiösen Fragen ist menschlich jederzeit akut. Man stellt sich Fragen wie: „Woher komme ich?“, „Wer gibt mir einen Sinn und ein Ziel in meinem Leben?“, „Bin ich allein oder ist da jemand mit mir unterwegs?“, „Wohin gehe ich?“, „Warum müssen Menschen sterben?“, „Was bedeutet eigentlich Leben?“, „Wie können wir miteinander in Gemeinschaft leben?“, „Warum gibt es überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?“ und vieles mehr.
Als meine älteste Tochter ein Kind war und eines unserer Haustiere starb, da war sie tieftraurig und weinte lange. Es half ihr, dass meine Frau mit ihr eine Beerdigung dieses Tieres mit einem Gebet vornahm. Das tröstete sie. Der Tod war so erstmals in ihr Leben getreten. Die Relevanz war da.

Und trotzdem hat man das Gefühl, dass gerade im Schulalter die Kinder und Jugendlichen den Wert von Religion weiter hinten ansiedeln. Woran könnte das liegen?

Das hängt aus meiner Sicht mit unserer Gesellschaft und mit dem Elternhaus zusammen. Denn Kinder selbst sind für mich ein unbeschriebenes Blatt, die alles annehmen, was ihnen von ihren Vorbildern vorgelebt wird.
Mit der Gesellschaft hängt es zusammen, weil Kirche hier neben anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften nicht mehr den zentralen Stellenwert hat, den sie noch vor einem Lebensalter hatte. Das hat vielerlei Ursachen, Ursachen von außen, aber auch hausgemachte. Einige Skandale der letzten Jahrzehnte haben da sicherlich auch zu beigetragen, und man übersieht, was Kirche alles Gutes tut.
Mit dem Elternhaus hängt es zusammen, weil den Kindern religiöse Praxis oft nicht mehr vorgelebt wird. Damit meine ich den sonntäglichen Kirchgang, das Hausgebet – am Tisch, am Morgen oder Abend – das Lesen der Bibel. Oft ist es so, dass die Großeltern als Wertevermittler nicht mehr im Haus wohnen, sondern in weiter Ferne. Weil eben auch oft im Krankenhaus oder im Seniorenwohnheim gestorben wird und nicht mehr zu Hause, Kinder also den Tod oft nicht mehr hautnah miterleben. Nicht zuletzt spielen auch die Medien eine Rolle, die die Kinder heutzutage viel mehr beeinflussen als vor einer Generation. Sie sind heutzutage oftmals die eigentlichen Erzieher, wenn die Eltern auf die Arbeit müssen. Die Frage wäre dann umgekehrt: wie kommt der Glaube bzw. wie kommt Kirche mehr in die Medien?

Was hat sich in unserer Gesellschaft verändert, dass Eltern, die zum Teil selbst religiös erzogen wurden, genau das heute nicht mehr bzw. weniger tun?

Ich denke, hier spielen einerseits gesellschaftliche Weichenstellungen eine Rolle, die schon vor vielen Generationen gestellt wurden. Der Autoritäts- und Bedeutungsverlust von Kirchen ist ein schleichender Prozess. Im letzten Jahrhundert wurde Kirche durch Nationalismus, Nationalsozialismus, Kommunismus oder auch dann in unserer westlichen Gesellschaft durch Individualismus und Kapitalismus zurückgedrängt.
Ein weiterer Grund seit dem Krieg ist sicherlich, dass es den Menschen vielleicht zu gut ging, so dass sie die Bedeutung von der Kirche nicht mehr sahen. Damals ging es auch um Machtfragen. Als die Jugend 1968 rebellierte, erachtete sie die Traditionen als altmodisch und überholt. Da wurde es schick, sich die eigene Weltanschauung zusammenzubasteln. Dann traten religiöse Fanatiker auf, die das Ansehen von Religion beschmutzten. Dazu kamen kirchliche Missbrauchsskandale.
Aber es sind auch innerkirchliche Gründe: Konservative und liberale Christen stritten sich über ethische Themen. Die Individualisierung der Gesellschaft zeigte sich auch innerhalb der Glaubensgemeinschaft. Neben den Großkirchen etablierten sich freie Kirchen und Gemeinschaften – Und alle traten miteinander in Konkurrenz. Da Arbeitnehmer und Schüler nur noch am Wochenende Zeit hatten, mussten Kirchen, als zusätzlicher Anbieter von Freizeitaktivitäten, auch noch in Konkurrenz zu Vereinen und anderen Kulturanbietern treten. Das alles wirkte sich auch auf die heutige Elterngeneration aus.
Aber zu Ihrer Frage: Es ist nicht überall so, dass Eltern ihre Kinder nicht mehr oder weniger religiös erziehen. Ich kenne auch viele Eltern, die gerade heute ihre Kinder wieder religiös erziehen, weil sie den Wert vom Glauben und der Gemeinschaft wiederentdecken. Vielleicht sehe ich hier sogar einen Trend.

Kann es sein, dass Familien die Religion heute zu „unbequem“ ist? Ich denke dabei an Argumente wie: „Der Gottesdienst ist eben zur falschen Zeit.“

Einerseits wünschte ich mir manchmal, dass Kirche mit ihren Forderungen und Vorstellungen „unbequem“ ist. Denn sie wirkt gerade für Christen, jenseits der Großkirchen, oft als zu angepasst. Hat nicht gerade Greta Thunberg gezeigt, dass man seine Überzeugung nur leben muss, um damit Erfolg haben zu können? Zeigten nicht der Klimawandel und die Corona-Krise, dass unser Lebensstil in mancherlei Dingen geändert werden muss?
Findet der Gottesdienst zur falschen Zeit statt? Ich glaube, es handelt sich manchmal nur um einen Vorwand, um die Schuld von sich wegzuschieben: „Ich möchte ausschlafen oder habe keine Lust, also sind die Gottesdienstanbieter schuld!“ Ich kann zumindest nicht feststellen, dass Angebote der Kirche am Samstagabend, am Sonntagabend oder unter der Woche besser angenommen werden. Und diese Möglichkeiten gibt es ja bei uns hier in Kulmbach.
Ja, zum Teil mag es an unserer Form des Angebots liegen. Oder auch an der Überzeugungskraft der kirchlichen Vertreter. Hieran können wir arbeiten. Aber teilweise liegt es auch daran, dass viele einfach nicht wollen, weil sie nicht müssen, und da kannst du noch so sehr einen Handstand in der Kirche machen. Ich frage mal umgekehrt: Sollte unsere Gesellschaft nicht den Wert von Ruhe und gemeinsamer freier Zeit, also kirchliche Sonn- und Feiertage, wiederentdecken? Auch, weil es die Schöpfung braucht? Kann der Gottesdienst nicht ein Ritual sein, das zur Entschleunigung und Besinnung beiträgt, so wie es gerade angesichts der Coronakrise gefordert wird?

Was löst das in Ihnen aus, dass immer weniger Leute in die Kirche gehen, mehr Kinder in den Ethikunterricht wechseln und immer mehr an ihrem Glauben zu Gott zweifeln? Wie haben Sie das zu Beginn ihrer Karriere wahrgenommen?

Zunächst einmal ist die Frage, ob immer weniger Menschen in die Kirche gehen. In meiner 25-jährigen Laufbahn als Pfarrer kann ich da Wellenbewegungen feststellen – je nachdem, wie gut Gemeinde zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen ist, wie sehr der Pfarrer mit seinem Engagement in der Gemeinde geschätzt wird, wie sehr er oder sie auch kluge Entscheidungen fällt und andere Menschen mit einbindet. Die Kurve kann sich dann sehr wohl nach oben verschieben. Und das habe ich auch erlebt. Durch Angebotsvielfalt und Beteiligung vieler sind immer wieder große Gottesdienstversammlungen mit voller Kirche dagewesen. Hier in Kulmbach bin ich noch nicht lang genug, um aus einer reichen Erfahrung zu schöpfen oder irgendwelche Prognosen abgeben zu können. Aber auch hier erlebe ich bereits: Wenn ein Thema die Leute anspricht und viele beteiligt sind, dann füllt das auch die Kirchen.

Wie bringen Sie als noch recht neuer Pfarrer in Kulmbach den Jüngsten in unserer Gesellschaft den Glauben näher?

Eines meiner Anliegen ist es in der Tat, bei den Jüngsten anzusetzen. Ich liebe es, mit Kindern im Kreis zu sitzen und mit ihnen biblische Geschichten durchzuspielen. Bei der Vorbereitung merke ich dann oft, dass es gar nicht so leicht ist, Dinge, die für uns Erwachsene selbstverständlich sind, Kindern beizubringen. Das ist auch immer eine Herausforderung. Aber es macht viel Spaß. Ich arbeite gerne mit Kindern. Sie sind noch so aufgeschlossen und ehrlich. Sie lachen und streiten. Und das mag ich. Ich habe selbst vier Kinder mit großgezogen, und ich glaube, das Wichtigste ist nicht einmal, was du anbietest, sondern dass du die Kinder einfach liebhast und sie dir nicht auf die Nerven gehen. Darum stört es mich auch nicht, wenn Kinder im Gottesdienst mal laut sind. Ich würde gerne noch mehr Familiengottesdienste halten. Aber im Moment bin ich durch die Coronakrise ziemlich eingeschränkt. Vieles musste und muss ausfallen. Und das tut weh.
Wenn Sie nach dem „Wie“ fragen, dann ist das eine Methodik-Frage, das kann ich so pauschal nicht beantworten. Ich war ja selbst einmal klein. Ich versetze mich in die Kleinen hinein und überlege mir, was sie wohl ansprechen würde. Und ich hole mir auch Tipps aus Büchern oder dem Internet. Viel Wechsel in der Methodik ist mir wichtig: Erzählen, Singen – gerne auch mit Bewegungen – Spiel, Basteln, Essen. Die Glaubensfragen an sich, die sind aus meiner Sicht zeitlos. Ich behaupte, die Glaubensthemen interessieren jeden.

Haben Sie Angst davor, dass der religiöse Glaube immer weiter aus der Gesellschaft wegbricht?

Nein. Definitiv: nein! Wie schon oben gesagt: Die religiösen Fragen sind menschlich und werden immer da sein. Auch wenn sich die Antworten im Laufe der Jahre vielleicht ändern oder ausdifferenzieren. Ich erlebe den christlichen Glauben in der Beziehung als besonders stark, weil aus meiner Sicht die Bibel uns oftmals in Bildern und mit Überschriften antwortet und uns die Freiheit lässt, in der jeweiligen Zeit die richtigen Antworten zu finden. Auch mein Glaube hat sich im Laufe des Lebens immer verändert. Aber er ist da. Glaube bedeutet Vertrauen. Wo kein Vertrauen mehr herrscht, da ist menschliches Leben in einer zivilisierten Form gar nicht möglich. Auch wenn die christliche Liebe oft missverstanden wird: Ohne Liebe ist das Leben sinnlos. Die christliche Hoffnung ermöglicht uns erst, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Davon bin ich überzeugt.

Audioslideshow Petrikirche

Der Gottesdienst mal anders?

Denken Sie, dass es den klassischen Gottesdienst in, sagen wir, 10 Jahren noch in dieser Form geben wird?

Ja, den wird es genauso noch geben wie neben ihm noch viele andere Formen. Denn das Ritual des Gottesdienstes ist eben auch für viele Menschen ein Halt für den Alltag. Wenn alles nur beliebig ist, Form und auch Inhalt, woran soll man sich dann noch halten?
Was wäre für Sie eine Alternativform? Würden Sie sich bei der Veränderung wohlfühlen?
Wie gesagt, es mag eine Ausdifferenzierung geben und die gab es über Jahrzehnte. Beispiele: Pietistische „Stund“, Evangelisationen, Taizégottesdienste, pfingstlerische Heilungsgottesdienste, charismatische Lobpreisgottesdienste, Alltagsexerzitien, Freiluftgottesdienste, Thomasmesse und noch vieles mehr. All das sind für mich auch Gottesdienste, solange sie im Namen Gottes beginnen und mit dem Segen Gottes enden. Und ich fühle mich bei jedem einmal mehr und einmal weniger zu Hause. Aber als Pfarrer mache ich vieles mit, wenn die Gemeinde das wünscht.

Wer legt eigentlich den Aufbau eines evangelischen Gottesdienstes fest? Wäre es einfach ihn zu verändern?

Die katholische Messe hat sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt. Martin Luther nahm sie zum Vorbild und entwickelte aus ihr 1526 die Deutsche Messe. Im Großen und Ganzen folgt unser heutiger evangelischer Gottesdienst mit seiner Grundform 1 (G 1) immer noch diesem Modell. Das ist ein Ritus, der für Kinder (auch für mich früher) oft langweilig erscheint, weil man nicht kapiert, warum er so ist wie er ist. Es erklärt einem halt auch keiner, bis man das dann im Konfirmandenunterricht mal lernt. Ehrlich, wir sollten immer wieder einmal an gewissen Sonntagen „Gottesdienst erklärt“ feiern, wo die einzelnen Abschnitte besprochen werden und die mittelalterlichen Lieder durch moderne ersetzt werden. Aber der Aufbau des Gottesdienstes folgt einem Ritus – oder wie es Manfred Josuttis mal formulierte dem „Weg ins Leben“. Das heißt: aus dem Alltag ankommen, vor Gott treten, das vor ihn bringen, was einen bewegt – Sorgen und Schuld, Not und schließlich Lob – dann auf sein Wort hören und es vom schriftkundigen Pfarrer ausgelegt bekommen, dann mit den Nachrichten aus der Gemeinde in die Fürbitten gehen und nach dem Vaterunser den Segen für die kommende Woche mit auf den Weg bekommen. Eigentlich ein nachvollziehbares Ritual, finde ich.

Viele Kinder und Jugendliche finden den Gottesdienst, insbesondere die Predigt, oft zu langweilig oder zu lange. Was wäre Ihrer Meinung nach, eine Methode, die Predigt besonders für Kinder etwas anschaulicher zu machen?

Oh, dazu gäbe es unzählige methodische Möglichkeiten: von Kleinigkeiten wie „einmal einen Witz einfügen“ oder „gereimte Predigt“ über methodische Anschauungsmaterialien bis hin zum Einsatz moderner Medien. Wenn so etwas zu wenig gemacht wird, liegt es meistens an der mangelnden Zeit für die Vorbereitung. Weil der Pfarrer ja nicht die ganze Woche zu Hause sitzt und nur überlegt, was er am Sonntag auf der Kanzel sagen könnte. Aber ich kenne viele, die das sehr gut beherrschen.

Ist für Sie der Gang in die Kirche ein wichtiger bzw. entscheidender Bestandteil des Glaubens?

Ja. Definitiv. Ein Sonntag ohne Kirche – da fehlt mir schon was. Für mich als Privatperson, nicht nur als Pfarrer, ist meine Woche ohne einen Sonntagsgottesdienst irgendwie nicht abgerundet. Denn im Gottesdienst komme ich zu mir selbst. Und: Im Gottesdienst erlebe ich Gemeinde, und das finde ich ganz wichtig auch für meinen eigenen Glauben. Das Zusammenkommen ist ein wichtiger Bestandteil, denn der Mensch braucht gemeinsame Rituale. Egal ob das gemeinsame Singen, das Beten oder die Fürbitten, das alles gibt den Menschen Kraft und sie bekommen das Gefühl von Gemeinschaft.

Bietet die Petrikirche, neben der Konfirmation, noch weitere Anlässe, um Kinder und Jugendliche in die Kirche zu locken?

Ja, durch Taufen, durch Kleinkindgottesdienste wie den „Gottesdienst für kleine Strolche“ oder den Kindergottesdienst „Time4Kids“, das Erzählen biblischer Geschichten im Kindergarten, den Kinderchor, das Krippenspiel oder das Kindermusical. Wir haben viele Ideen. Was im Moment noch fehlt ist die Zeit, alles umzusetzen, und die Zeit seitens der Mitarbeitenden, die ja auch noch ein eigenes Leben haben. Im Moment sind wir durch Corona völlig lahmgelegt. Und dann habe ich im Bereich der Jugendarbeit auch noch das Problem, dass man viele Jugendliche mit den herkömmlichen Medien nicht mehr so leicht erreicht. Wie soll ich denn einladen, wenn Jugendliche keine Zeitung lesen? Aber Gott sei Dank gibt es hier die Evangelische Jugend, die viele Jugendliche in Kulmbach erreicht.

Die Digitalisierung in den Kirchen

Wie weit sind die bayerischen Kirchen in Sachen Digitalisierung schon vorangeschritten?

Ich denke, sehr weit. Aber viele sind da viel weiter als ich.

Was hält die Pfarrer, besonders Sie selbst, eventuell noch ein bisschen davon ab, zusätzlich auf das Digitale zu setzen?

Die Zeit und die Kompetenz. Aber ich mache ansonsten schon viel digital. In meiner letzten Gemeinde musste ich den Gemeindebrief erstellen, und der kam gut an. Seit ich in Kulmbach bin, musste ich viel digital dazulernen, und das stresst schon. Oft fehlt einfach trotzdem das nötige Know-How.

Gibt es für Sie selbst eine Grenze was das Digitale betrifft? Stichwort: Gottesdienst-Live-Übertragung im Internet, Segensroboter oder einen Glaubens-Podcast?

Gottesdienst-Live-Übertragung kann ich mir vorstellen, habe ich aber in der Form noch nicht gemacht. Aber ich glaube, ich bräuchte dazu immer eine Gemeinde. Einfach so ins Nichts hinein zu sprechen, das wäre schon komisch. Segensroboter? Nie gehört. Klingt für mich auch komisch, weil Segen was Beziehungsmäßiges, was Persönliches ist. Das kann doch keine Maschine! Glaubens-Podcast finde ich gut, habe ich aber noch nie gemacht.

Was beziehungsweise wer genau hält die Entwicklung diesbezüglich noch zurück?

Die liebe Zeit. Als Pfarrer bin ich sehr viel auf der zwischenmenschlichen Ebene unterwegs. Sprich: in realen Gottesdiensten samt Kasualgottesdiensten, bei Seelsorgegesprächen, Besuchen, im Unterricht, in Gruppenstunden, Sitzungen und vielem mehr.
Und dann bleibt die generelle Frage: Brauchen wir mehr Digitalisierung und Vernetzung? Jetzt in Zeiten der Coronakrise, wo man nicht mehr aus dem Haus darf, ist die Vernetzung über die digitalen Medien ein Segen. Aber es gibt ja auch negative Folgen, wie erhöhten Stromverbrauch, Computer- und Handysucht, der Stress durch die fortwährende Erreichbarkeit, Hass im Internet oder die Anfälligkeit für Cyberattacken. Mal von normalen Zeiten ausgegangen: Brauchen wir nicht auch mal wieder mehr die persönliche Begegnung?

Der „neue“ Religionsunterricht?!

Was würden Sie von einer Zusammenführung des evangelischen und katholischen Religionsunterrichts halten?

An vielen Schulen gibt es das sozusagen schon „unter der Hand“. In den Religionsgruppen sind dann katholische und evangelische (und bekenntnislose) SchülerInnen und werden von einer evangelischen ODER einer katholischen Lehrkraft unterrichtet. Manchmal ist das einfach organisatorisch die einfachere Lösung. Und natürlich spielen die konfessionellen Unterschiede im Vergleich zu früher eine viel geringere Rolle. Trotzdem finde ich es wichtig, diese noch zu benennen – weil sich darin ja durchaus auch die Vielfalt christlichen Glaubens zeigt. Es würde tatsächlich ein großer Teil religiöser Reichtum wegfallen, wenn man nur noch auf das zurückgreifen würde, was bei allen „gleich“ ist. Aber das ist sicher auch in einem ökumenischen Religionsunterricht möglich.
Wichtig finde ich, dass in jedem Fall im Religionsunterricht die Grundlagen des christlichen Glaubens nicht zu knapp behandelt werden. Meine SchülerInnen melden mir immer wieder zurück, dass sie es zwar interessant finden, sich mit anderen Religionen zu befassen – aber, dass ihnen dabei die eigene Religion gelegentlich zu kurz kommt. Da muss Schule halt auch einiges auffangen bzw. „nachholen“, was nicht mehr in den Familien geschieht oder auch nicht mehr geschehen kann.

Posted by Sarah Schmidt in Kindheit, Kindheit im Wandel der Zeit, Sarah Schmidt
Kindergärten Kulmbach – Im Wandel der Zeit

Kindergärten Kulmbach – Im Wandel der Zeit

Vom Flüchtlingslager auf der bekannten Plassenburg bis hin zum modernsten Kindergarten in ganz Kulmbach. Die Audioslideshow umfasst einen kurzen und dennoch prägnanten Teil in der Geschichte der oberfränkischen Kleinstadt Kulmbach: Den Wandel der Kitas. Einige Großeltern können sich noch sehr gut an die Zeit nach dem Krieg erinnern. Viele von ihnen wurden zuhause von der Mutter oder der Großmutter großgezogen. Ein paar Jahre später, in der nächsten Generation, war es schon üblicher, dass Kinder in den Kindergarten gingen. Dort wurden sie allerdings nicht nur von Erzieherinnen betreut, sondern häufig auch von Nonnen. Heute kann man sich all das gar nicht mehr so richtig vorstellen. Die Erzählungen von Mama, Papa, Oma und Opa sind zwar spannend, aber ein richtiges Bild vor Augen hat man trotzdem nicht. Dieses kurze Video soll einen kleinen Einblick in die Vergangenheit ermöglichen.

Kindergärten in Kulmbach

Posted by Sarah Schmidt in Kindheit, Kindheit im Wandel der Zeit, Sarah Schmidt
Schneider Rakan Ali – Alles verloren und trotzdem nie aufgegeben

Schneider Rakan Ali – Alles verloren und trotzdem nie aufgegeben

Am Ende der Straße steht ein älteres, etwas düster wirkendes Haus. Der Putz an der Hauswand ist abgeplatzt, die grünliche Wandfarbe verblasst. Nur in der unteren Etage scheint es von Leben erfüllt zu sein. Von außen kann man die Silhouette einer etwa 1,65 Meter großen Gestalt im Schaufenster erkennen. Die grelle Beleuchtung im Erdgeschoss lässt die Schattengestalt entstehen. Beim Betreten des Ladens wird man von einem kleinen dunkelhaarigen Mann mit einem breiten Lächeln im Gesicht begrüßt. Er trägt ein Maßband um den Hals und steht hinter einem niedrigen, mit weißen Tüchern bedecktem Dresen. Der kleine Laden ist von Antiquitäten und Kunst übersäht. Wenn man sich in dem Raum genauer umsieht, entdeckt man in einem alten braunen Holzregal Töpfereien wie Teller und Tassen. An einer Wand hängen abstrakte Bilder und die Fensterbretter stehen voller Keramikfiguren. In der Ecke steht eine Schaufensterpuppe, die ein rotes, orientalisch aussehendes Gewand trägt. Die Kunst lässt den sonst sehr kühlen, weiß gestrichenen Raum, plötzlich warm und einladend wirken. Auf dem Tresen, hinter dem der Mann steht, stehen zwei Nähmaschinen. Hinter ihm hängt eine Kleiderstange voll mit Jacken, Hemden und Hosen. Direkt neben ihm steht eine Schneiderpuppe, die einen schwarzen langen Mantel trägt. Man könnte meinen, dieses Kleidungsstück sei für ihn besonders wertvoll. Immer wieder erklärt er anhand der Puppe seine Kunst. Der Mann, der über den etwa 15 Quadratmeter großen Raum wacht, ist Schneider Rakan Ali, der Besitzer einer kleinen Schneiderei in Kulmbach.

Er ist kein typischer Ladenbesitzer

Ali ist erst seit knapp vier Jahren in Deutschland und seit zweieinhalb Jahren in Kulmbach. Er ist somit kein typischer Ladenbesitzer in der Kulmbacher Innenstadt. In seiner neuen Heimat hat er sich und seiner Familie in kürzester Zeit ein ganz neues Leben aufgebaut. Als Flüchtling kam er in Kulmbach an, hat seinen Besitz in Syrien zurücklassen müssen und startete wieder bei null. Doch der Kurde kämpft und gibt nicht auf. Schnell wird er wieder zum Geschäftsmann. Rakan Ali ist ein Beispiel dafür, was Willensstärke bewirken kann. Der kleine Mann wirkt plötzlich ganz groß.

„Mein Sohn hat deutsche Polizei gesehen und war glücklich“

Zehn Tage lang haben Ali und seine Familie sechs Länder durchquert. Wenn er über seine Heimat Syrien und die Flucht spricht, scheint es ihm nicht gut zu gehen. Schlagartig wird aus dem sonst sehr positiven Menschen, der seine Kunden mit einem strahlenden Lächeln und festem Händedruck empfängt, ein zurückhaltender, leicht verunsicherter Mann. Sein Blick geht ins Leere, die Hände werden unruhig und das Lächeln versteckt sich hinter einer kühlen Fassade. Er spricht leiser. Im Jahr 2015 beschloss der 39-jährige mit seiner Frau und seinem Sohn die Heimat zu verlassen. Er erhoffte sich ein besseres Leben, weit weg von dem Bürgerkrieg in seinem Land. Nach zehn Tagen kamen sie in Deutschland an. „Mein Sohn hat deutsche Polizei gesehen und war glücklich“, sagt Rakan Ali in gebrochener deutscher Sprache. Es sei eine große Erleichterung für die drei Syrer gewesen, die Beamten zu sehen. Die Familie habe sich nach langer Zeit wieder sicher gefühlt.

„In Syrien musst du nicht lernen, da musst du einfach arbeiten gehen“

In Damaskus war der Kurde 20 Jahre lang als Schneider tätig. Er hat bei seinem Onkel den Beruf erlernt und später den Betrieb übernommen. „Ich hatte 20 Mitarbeiter“, erzählt der Familienvater stolz. Ein erfolgreicher syrischer Geschäftsmann. Eine abgeschlossene Ausbildung in seinem Beruf hat er nicht. „In Syrien musst du nicht lernen, da musst du einfach arbeiten gehen“, erklärt Ali. Der Syrer war mit voller Begeisterung Schneider. Er ist es immer noch. Wenn Ali heute seine alte Schneiderei mit der jetzigen vergleicht, setzt er ein verschmitztes Lächeln auf. Er gibt zu, dass es in Syrien einfacher war eine Schneiderei zu führen. „In Deutschland hast du viel mehr Papier“, sagt Ali und bezieht sich damit auf die strengen Vorlagen und die vielen Unterlagen, die man ausfüllen muss, um einen eigenen Laden zu eröffnen. Auch die Miete eines Ladens ist in Deutschland teurer. Trotzdem könne der Schneider Rakan Ali in Kulmbach nicht glücklicher sein: „Ich bin sehr zufrieden. Ich habe mehr Kunden als in Syrien und der Ort hier ist sehr schön.“

Auf engem Raum von den vielen Farben und Stoffen erschlagen

Ganz bescheiden und dennoch sehr stolz präsentiert er im Hinterzimmer, dem „Lagerraum“, seine vielen Stoffe. Auf engem Raum wird man von den vielen Farben und den verschiedenen Stoffarten schon fast erschlagen. Auch original syrische Stoffe sind dabei. Wenn Ali davon erzählt, wie er Kleidungsstücke umändert oder gar neu entwickelt, strahlen seine Augen, er beginnt zu gestikulieren und erklärt ins Detail genau, wie sein Handwerk funktioniert. Voller stolz holt er unter seinem Tresen eine Mappe vor und zeigt Bilder von einer Deutschland sucht den Superstar-Teilnehmerin, deren Kleid er designen durfte.

„Ich kann nichts anderes außer das“

Der 39-jährige Schneider Rakan Ali musste in seiner Heimat einiges zurücklassen. Von dem eigenen Geschäft, zwei Häusern und seinen Liebsten musste er sich verabschieden. Als er in Deutschland ankam absolvierte der Flüchtling zuerst einen Deutschkurs. Nach dem Kurs war dem 39-jährigen schnell klar: „Ich möchte arbeiten.“ Sein Wunsch war es, hier in Deutschland wieder selbstständig arbeiten zu können und das in seinem Handwerk, dem Schneidern. „Ich kann nichts anderes außer das“, gibt er zu. Mithilfe des Kulmbacher Künstlers Andreas Schoberth gründete Ali sein „Start up“. Der Künstler stellte dem Syrer vorrübergehend einen Teil seines Ateliers kostenlos zur Verfügung und lies ihn in Kulmbach Fuß fassen. Die Integration war ein voller Erfolg. Knapp zwei Jahre später steht Rakan Ali auf eigenen Beinen und eröffnet seine eigene Schneiderei.

„Für Familie. Die Zukunft hier ist besser“

Der mutige Geschäftsmann hat gegen den Rat vieler deutscher Ämter seinen Traum verfolgt und nie aufgegeben. Kein leichter Schritt. Mit der Unterstützung von Familie Schoberth führt Schneider Rakan Ali nun schon ein Jahr lang erfolgreich ein eigenes Geschäft. Wenn Rakan von Andreas und Margit Schoberth spricht, strahlt er, in seinen Augen kann man die Dankbarkeit gegenüber dem Ehepaar förmlich spüren. Die beiden Kulmbacher sind die Betreuer der Familie Ali. Die syrische Familie wollte sich hier in Deutschland integrieren und das hat sie geschafft. „Für Familie“, sagt der Syrer immer wieder. Sie stehe für ihn im Mittelpunkt. Seine Frau hat hier in Deutschland das zweite Kind zur Welt gebracht und arbeitet nun als Lehrkraft in einer Schule. Sein 9-jähriger Sohn spielt Fußball in einem örtlichen Verein und kann laut Ali schon perfekt Deutsch sprechen. „Viel besser als ich und meine Frau“, gibt der Schneider zu und lacht.

„Ich vermisse die Heimat, aber zurück möchte ich nicht“

„Ich vermisse die Heimat, aber zurück möchte ich nicht. Die Zukunft hier ist besser“, sagt er. Wenn er über seine neue Heimatstadt Kulmbach spricht, besiegt das Lächeln die sonst etwas nüchterne Fassade. Er fühlt sich sicher und gut aufgehoben. Hier kann er sich seine Zukunft vorstellen. Ein kleiner Mann, der große Ziele verfolgt.

Posted by Sarah Schmidt in Kindheit, Kindheit im Wandel der Zeit, Sarah Schmidt
Kinder-Uni in Kronach

Kinder-Uni in Kronach

Kronach wird Hochschulstandort – und war es doch schon längst. Zumindest wenn man die Kinder-Uni mitrechnet – ein Projekt, das 2014 durch „Kronach Creativ“ ins Leben gerufen wurde, einem Verein zur Förderung des Wirtschafts- und Lebensraums Landkreis Kronach. Ein Interview mit Sabine Nuber, Leiterin des Koordinierungszentrums für bürgerschaftliches Engagement in Trägerschaft von Kronach Creativ.

Was macht die Kronacher Kinder-Uni so besonders?

Die Kronacher Kinder-Uni ist zwar angelehnt an die Kinder-Unis, die Teil des Bildungsprogrammes einer Hochschule darstellen, wir unterscheiden uns von diesen aber darin, dass wir eigenständig operieren. Wir gehören also nicht einer speziellen Hochschule an. Als wir 2014 begannen, wussten wir noch nicht, dass Kronach Hochschulstandort wird. Wir wollten aber schon damals etwas hier bewegen.

Bei Kronach Creativ gab es zu dieser Zeit das Projekt „Demografie Pilotregion Oberfranken“, bei dem wir für den Landkreis Kronach erarbeiteten, was es an Möglichkeiten oder Ansätzen gibt, um dem demografischen Wandel entgegenzuwirken. Schwerpunktmäßig haben wir uns mit der Arbeitsplatzsituation beschäftigt. Wir waren der Meinung, dass wir unseren Kindern eigentlich ganz früh schon aufzeigen sollten, welche Chancen und Möglichkeiten es hier gibt. Wir wollten nicht, dass sie mit dem Gedanken aufwachsen, sie müssten immer irgendwo hin, um gewisse Angebote wahrzunehmen. Also dachten wir uns: „Damit wir nicht zu diesen Angeboten fahren müssen, holen wir diese Angebote zu uns“.

Was ist dann genau passiert?

Wir haben uns mit der Universität Bamberg zusammengetan, die damals in Kooperation mit dem Fränkischen Tag eine Kinder-Uni ausrichtete. „Könnt ihr euch vorstellen, eine Veranstaltung bei uns in Kronach zu machen?“, haben wir gefragt. Und wir rannten eigentlich offene Türen ein. Die Uni antwortete: „Den Gedanken hatten wir auch schon“. Im November 2014 planten wir dann als Testlauf einen Studientag in Kronach und einen in Forchheim.

Das Angebot wurde überdurchschnittlich gut angenommen. Die Dozenten der Uni Bamberg sagten damals, sie wären schon zufrieden, wenn zwanzig oder fünfundzwanzig Kinder erschienen. Letztendlich waren es aber über fünfzig, die die Aula der Lucas-Cranach-Schule bevölkerten. Und nachdem das so gut gelaufen ist, meinten die Verantwortlichen der Uni Bamberg: „Eigentlich könnt ihr das alleine“. Und tatsächlich haben wir es uns nach diesem Erfolg auch zugetraut. So entstand die Kinder-Uni in Kronach, eine hochschulunabhängige Einrichtung, mit eigenem Logo, eigenem Projekt-Team. Unsere Dozenten kommen aus verschiedenen Hochschulen jeweils an zwei Terminen im Jahr zu uns.

Welche Universitäten waren bisher vertreten?

Wir sind in der glücklichen Lage, dass es viele Hochschulen gibt, die in einem Umkreis von maximal 100km von uns entfernt sind: Coburg, Bamberg, Bayreuth, Hof oder auch Ilmenau. Neben diesen Bildungseinrichtungen haben wir aber voraussichtlich auch bald eine Dozentin von der Universität des Saarlandes zu Gast. Letztendlich sind wir stolz darauf, vielen unterschiedlichen Universitäten hier in Kronach eine Plattform zu bieten.

Die Dozenten der jeweiligen Unis freuen sich meistens, ihre Vorlesungen einem größeren Kreis an Interessenten zugänglich zu machen. Auch wenn diese Interessenten noch sehr jung sind. Manchmal birgt der Austausch mit dem jungen Publikum gerade ein besonderes Potential, und zwar für beide Parteien. Die Dozenten müssen versuchen, komplexe Themen einfach zu vermitteln und die Kinder fühlen sich herausgefordert und wollen umso begieriger verstehen. Wenn die Dozenten hierher kommen, machen sie natürlich außerdem immer auch ein bisschen Werbung für ihre Universität.

Welche positiven Erfahrungen haben sie bei der Kinder-Uni in Kronach schon gesammelt?

Da gibt es viele. Wir hatten zum Beispiel mal einen jungen Mann, der auf die Frage, ob er beim nächsten Mal wieder dabei sein werde, antwortete: „Das kommt ganz auf eure Themen an. Wenn wieder ein historisches Thema drankommt, dann schon.“ Er war es dann auch, der sich nach dem Vortrag noch mit dem Dozenten unterhalten und ihn gefragt hat, was man eigentlich machen müsse, um Professor zu werden.

Ein andermal waren die Kinder so am Stoff interessiert, dass der Dozent vor lauter Fragen fast nicht dazu kam, seine Vorlesung zu halten. Da zeigt sich dann immer deutlich, dass Kinder von Natur aus neugierig und auch bereit sind, sich schwierigeren Themen zu widmen.

Die Dozenten bemühen sich in der Regel aber auch, den Unterricht möglichst anschaulich zu gestalten. In einer unserer ersten Vorlesungen ging es um römische Gladiatoren und der Dozent hatte eine Gladiatoren-Rüstung dabei, mit einem Schild und einem Helm. Im Anschluss an die Vorlesung durften die Kinder diese dann tatsächlich anprobieren. So konnten sie erleben, wie schwer die Sachen eigentlich sind.

Auch letztes Mal musste ich schmunzeln. Da war ein Dozent bei uns, der während der ganzen Stunde alle Kinder siezte. Für die Kinder ist das natürlich ein erhebendes Gefühl, wenn sie plötzlich mit „Sie“ angesprochen werden.

„Es ist Zeit, zu inspirieren.“

Wie funktioniert die Kinder-Uni?

Der Vorlesungstag wird vorher im Internet ausgeschrieben und über Flyer an Schulkinder der Jahrgangsstufen 2 – 6 bekanntgegeben. Die Anmeldungen gehen dann online hier bei uns im Büro ein. In der Regel findet die Kinder-Uni in der Aula der Lucas-Cranach-Schule statt, weil wir dort die Möglichkeit der Mensa-Nutzung haben. Die Kinder werden am Vormittag von den Eltern gebracht und von uns in Empfang genommen.

Bei der Anmeldung stehen zwei Tische: Einer für die Kinder, die noch nie und einer für die Kinder, die schon mal da waren. Für alle Neulinge gibt es einen Studentenausweis, in dem der Name eingetragen wird. Und sie kriegen ein Schlüsselband, wo sie diesen Ausweis reinstecken, damit wir die Kinder auch mit Namen ansprechen können. Dann bekommen sie noch ein Studienbuch. Dieses Studienbuch beinhaltet den Namen, den Titel der Vorlesung und unseren Stempel. Wir verzeichnen jeden Besuch einer Vorlesung mit dem Zeitraum, in dem sie stattfand, beispielsweise: „Wintersemester 2019/2020“. Das Studienbuch müssen die Kinder, wenn sie nächstes Mal wiederkommen, mitbringen. Spätestens ab der Anmeldung laufen die Kinder dann alleine, denn später in der Uni sind Mama oder Papa eben auch nicht mehr dabei. Deshalb hängen bei uns auch Schilder mit den Worten „Elternfreie Zone“. Wir möchten, dass die Vorlesungen wirklich Universitäts-Charakter haben.

Als Anreiz, öfter an der Kinder-Uni teilzunehmen, verleihen wir nach fünf Vorlesungen den Bachelor-Titel – bei uns der „Bachelor of arts and science“. Die nächste Stufe sind dann 8 Vorlesungen, das ist der Master. Und wenn man noch länger dabei ist, das heißt an 12 Vorlesungen teilgenommen hat, bekommt man seine Doktorwürde, mit dem typisch amerikanischen Doktorhut. Da sind die Kinder dann schon stolz drauf. Sie müssen dann auch schon über mehrere Jahre dabei gewesen sein. Denn es gibt bei uns im Jahr ja jeweils nur zwei Vorlesungen, eine vormittags, eine nachmittags und dazwischen gehen wir in die Mensa.

Haben die Kinder Angst, auf sich allein gestellt zu sein?

Diese Erfahrung haben wir eigentlich nicht gemacht. Viele von ihnen sind sogar stolz, mal ganz ohne Mama und Papa unterwegs zu sein. Andere kommen mit einem Freund oder einer Freundin, dann ist es nochmal leichter. Wir haben außerdem Ehrenamtliche, die durch ihre T-Shirts erkennbar sind und die sich um die Kinder kümmern. Wir nehmen sie unter unsere Fittiche, weisen ihnen die Plätze zu, zeigen ihnen die Garderobe und sobald sie mal sitzen, ist eigentlich alles gut.

Wie nahe kommt das Projekt wirklich an den Uni-Alltag ran?

Natürlich wissen die Dozenten auch, dass sie 8- bis 12-Jährige vor sich sitzen haben. Aber wir versuchen schon, eine alltägliche Uni-Situation zu simulieren. Dabei ist auch dieses „freie Zuhören“ ganz wichtig. Die Schüler kommen hier her, weil sie sich für ein Thema interessieren und etwas Neues lernen wollen – vielleicht auch einfach erfahren wollen, wie es an der Uni so ist. Sie werden hier nicht so stark angeleitet wie in der Schule, können selbst entscheiden, ob sie sich etwas notieren oder nicht.

Wir haben uns damals gefragt: Wie kann man das Interesse der Kinder wecken ohne Druck auszuüben? Das ist uns ganz wichtig – dass es hier nicht darum geht, Leistungen zu erbringen. Die Kinder sollen Spaß haben, sollen Themen entdecken, die über das hinausgehen, was sie sonst in der Schule hören. Manchmal werden wir von Eltern gefragt: „Wann ist dann die Prüfung?“. Es gibt bei uns hier aber keine Prüfung. Warum? Weil es uns nicht wichtig ist, am Ende der Veranstaltung eine Note auszustellen. Das, was für uns zählt, ist, dass das Kind Lust auf die Themen bekommt, die ihm angeboten werden. Dass es zuhause vielleicht nochmal nachliest und erzählt, was es gelernt hat.

Wie geht’s jetzt weiter, wo Kronach Hochschulstandort wird?

Wir freuen uns natürlich, dass es hier auch bald eine Hochschule geben wird und möchten diese dann auch sehr gerne mit einbinden. Besonders erfreulich wäre eine Zusammenarbeit, die auch vorsieht, einen richtigen Hörsaal für die Kinder-Uni nutzen zu können. Das gäbe dem Ganzen nochmal eine ganz andere Atmosphäre. Wir stoßen bei den Räumlichkeiten leider an unsere Grenzen. Mehr als 125 Kinder können nicht an einer Vorlesung teilnehmen. Und letztes Mal hatten wir sogar noch weitere 20 auf der Warteliste.

Wer mehr über die Kinder-Uni erfahren will, kann sich auf dieser Seite umsehen: https://www.kronachcreativ.de/kinder-uni-kronach-2/

Und für alle, die wissen wollen, was man in Oberfranken noch erleben kann:

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Posted by Ann-Kathrin Fischer in Ann-Kathrin Fischer, Kindheit, Pädagogische Projekte für Kinder/Jugendliche
Vom Kindergarten bis zur Bundesliga

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