Die Apotheken brauchen Taten, keine Helden

Ein Kommentar zu den Apotheker-Protesten von Stefan Neidl

Apothekerproteste. Krankenhausreform. Aufarbeitung der Corona-Politik. Cannabis-Freigabe. Suizid-Prävention. Karl Lauterbach kämpft auf vielen Schlachtfeldern. Seine Gegner sind zahlreich und kommen aus unterschiedlichen Lagern.

Vielleicht sieht er sich selbst als Ritter in strahlender Rüstung, der dem dreiköpfigen Cerberus aus Apothekern, Ärzten und Markus Söder als Gegner seiner Cannabis-Legalisierung die Häupter abschlagen muss. Manchmal scheint das Monster sogar wie eine Hydra etliche Köpfe mehr zu haben. Tatsächlich ist Lauterbach aber Gesundheitsminister. Die Bürger, vor allem in medizinischen Bereichen, erwarten Taten von ihm.

Das Apotheken-Sterben hat erst begonnen

Gab es 2002 noch über 21 000 Apotheken sind es Ende 2023 nur noch 17 500. Tendenz sinkend. Das mag nach viel klingen. Aber die Apothekerdichte liegt bei nur 22 pro 100 000 Einwohner. Der Durchschnitt in der Europäischen Union liegt bei 32.

Dass immer mehr Apotheker das Risiko einer Selbstständigkeit scheuen, muss erschrecken. Gerade in ländlichen Gegenden drohen weiße Flecken. Die Alternative Online-Apotheke ist keine wirkliche Alternative: In Vergleichstests überzeugten sie fachlich nur bedingt. Gerade ältere Bürger sehnen sich nach dem menschlichen Kontakt und der persönlichen Beratung. Und wie wichtig Apotheken wirklich werden können, hat sich während der Corona-Pandemie gezeigt, als sie Masken verteilt, Schnelltests durchgeführten und sogar impften.

In Zeiten des Fachkräftemangels sollte ein Gesundheitsminister versuchen, die Attraktivität medizinischer Berufe zu stärken. Der „Fight for Talents“ mit anderen Branchen hat längst begonnen. Hans-Peter Hubmann, der Bundessprecher des deutschen Apothekerverbandes, hat erst kürzlich einen runden Tisch mit verschiedenen Interessensgruppen vorgeschlagen. Dies wäre eine Gelegenheit einmal direkt Argumente und Gegenargumente einer grundlegenden Apotheken-Reform zu besprechen.

Apotheker wollen gehört werden

Doch Lauterbach gefällt sich in der Figur des tragischen Einzelkämpfers. Immer neue Fronten bricht er auf in der unbeirrbaren Überzeugung, als Einziger das dringendste Problem zu kennen und die Lösung zu haben. Seine Antwort auf die Schließung von Apotheken und den Fachkräftemangel heißt „Tele-Apotheke“. PTAs sollen die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten übernehmen können, ein Apotheker wäre nur noch aus der Ferne zur Beratung und Überwachung Ansprechpartner. Experten wie Hubmann bezweifeln, dass dies funktioniert.

Was die Apotheker momentan brauchen, ist ein offenes Ohr der Politik. Den Eindruck verstanden zu werden und gemeinsam mit Politik, Verbänden und Krankenkassen eine Perspektive zu finden. So dass es einen Ausweg aus dem vermeintlich finsteren Tal geben kann. Doch dieses Gefühl vermittelt der Gesundheitsminister überhaupt nicht. Er gefällt sich lieber weiter in der Rolle des einsamen Helden im Kampf für seine eigenen Vorlieben und eine, nach seinen Augen, besseren Welt.

Posted by Stefan Neidl