Steigende Kosten, Fachkräftemangel, Bürokratie. Deutsche Apotheker führen immer lauter Klage über ihre wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. In einem Interview mit der Akademie für Neue Medien fordert der Verbands-Vorsitzende Hans-Peter Hubmann von der Politik Reformen. Er sieht tausende Apotheken in ihrer Existenz bedroht.
Ohne Maßnahmen der Politik drohen bis zu 1000 Schließungen pro Jahr. Für den Vorsitzenden des Deutschen Apothekerverbandes wird sich der Trend fortsetzen: „Wir könnten in die Schließungswelle von 700 bis 1000 pro Jahr kommen. Es könnte wirklich weiße Flecken geben.“
Darum stellte der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes Hans-Peter Hubmann zwei klare Forderungen an die Politik: „Wir brauchen mehr Handlungsfreiheit und eine Anhebung der Vergütung.“ Dies sei notwendig, um die Aufgaben zu erfüllen und genügend Personal finden und bezahlen zu können. „Es geht vor allem um die Verbesserung der Entlohnung unserer Mitarbeiter“, sagte Hubmann.
Konkurrenzkampf um Mitarbeiter
Der Fortbestand von Apotheken sei bedroht, da in den vergangenen 20 Jahren die Vergütung nur um zehn Prozent gestiegen sei. Gleichzeitig hatte es starke Preissteigerungen gegeben. „Uns wandern die Leute aus den Apotheken in Industrie oder Krankenkassen ab“, erklärte Hubmann.
Dadurch fänden viele Apotheker keine Nachfolger. „Inhaber arbeiten 50 bis 60 Wochenstunden und tragen ein hohes Risiko. Viele bevorzugen eine gute Angestelltenstellung.“ Leistung müsse sich lohnen, sagte Hubmann: „Ebenso muss sich Selbstständigkeit lohnen.“
Aufgrund der Konkurrenzsituation unter den Apotheken und zu Krankenhäusern um die besten Leute, ist ein genereller Mangel an Fachkräften oft ein Grund für die Schließung. Augenblicklich gibt es noch 17 500 Apotheken in Deutschland: Der tiefste Stand seit 40 Jahren. 2023 kamen auf 62 Neueröffnungen 559 Schließungen. Wegen des Fachkräftemangels plant Gesundheitsminister Karl Lauterbach Filialen von pharmazeutisch-technischen Assistenten (PTA) führen zu lassen. Ein Apotheker soll sie über Internet und Telefon beaufsichtigen und beraten. Hubmann erteilte dieser Idee eine Absage: „Genauso gut könnte ich Arztpraxen ohne Ärzte oder Flugzeuge ohne Piloten erlauben. Nur Apotheker haben den notwendigen Sachverstand, das gesamte komplexe Wesen der Arzneimittelvergabe und Beratung wirklich sinnvoll zu gestalten.“
Als weiteres Problem nennt Hubmann die Lieferengpässe von Medikamenten. Insgesamt seien mehr als 1000 Präparate betroffen. „Im letzten Winter waren es Fiebersäfte und Antibiotika. Mittlerweile wechselt das Problem kreuz und quer durch den Gemüsegarten.“ Das Spektrum reiche von Blutdruck-Medikamenten über Nierenmittel und Insuline bis hin zu Krebsmitteln.
Deutschland hat Standort-Nachteile
Die Herstellung bestimmter Rohstoffe belaste die Umwelt. Dies verstoße gegen die oft hohen Standards in Deutschland. „Also verlagern wir das Problem und lassen das Länder wie China oder Indien produzieren, wo Umweltstandards keine Rolle spielen“, sagte Hubmann.
Dazu kämen hohe Lohnkosten in Deutschland: „Gesundheit ist zwar das wichtigste im Leben, aber sie darf nichts kosten.“ Doch wenn der Arbeitende nicht gesund sei, kann er auch keine Leistung erbringen. „Das ist Sparen am falschen Ende“, erklärt der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes.
Hubmann forderte ein Soforthilfepaket. Dazu gehören eine Anpassung des Fixums, dem festen Pauschalbetrag pro Rezept, um mindestens zwei Euro und eine Absenkung des Kassenabschlags, also dem gesetzlich vorgeschriebenen Rabatt an die Krankenkassen. Spezialleistungen, wie Rezeptur, Notdienste und Dokumentationspflichten, sollen besser bezahlt werden.
Zur weiteren Entlastung von Apothekern und PTAs forderte er mehr Handlungsfreiheiten und weniger bürokratische Auflagen. Außerdem forderte Hubmann eine Stärkung der Ausbildung an Universitäten und PTA-Schulen.