Coburger Weihnachtsmarkt im Pandemiebetrieb –
Plan C wie Christkind und Corona

Von Willy Rebhan

Coburg – Kerzenschein. Glühweinaroma. Mandelduft. Normalerweise zählt der Coburger Weihnachtsmarkt zu den schönsten in ganz Deutschland. Doch in Pandemie-Zeiten herrscht auch hier Tristesse. Obwohl die Verantwortlichen alles versuchen. Und schließlich bei Plan C landen. Plan C wie Christkind und Corona.

Verschlossene Buden. Das Kopfsteinpflaster glänzt nass und dunkel. Eine bedrückende Kulisse. Einsam ragt ein Weihnachtsbaum aus dem historischen Marktplatz empor. Wenn nicht Corona über dem Land lastet, sind Ambiente und Angebot für die Besucher jedes Jahr ein Sinneserlebnis. Hier treffen sich Menschen, um gemeinsam zu schlemmen, zu feiern und die vergangenen Monate noch einmal Revue passieren zu lassen.

Doch auch heuer wird daraus nichts. Wie schon im vergangenen Jahr müssen die Besucher auf Geselligkeit und Besinnlichkeit verzichten. Die Staatsregierung hat alle Weihnachtsmärkte untersagt. Wegen Corona. Für die Besucher traurig, desaströs für Budenbetreiber und Schausteller. Ihr wirtschaftlicher Schaden ist monströs. Der Maroni-Rilke bringt es auf den Punkt: „Was ich sonst in einer Stunde verdiene, dafür brauche ich jetzt mehrere Tage.“

Oberbürgermeister Dominik Sauerteig leidet mit den Budenbetreibern und Besuchern. „Vor einem Vierteljahr noch hat die Staatsregierung verkündet, dass heuer alle Weihnachtsmärkte stattfinden können. Er erinnert an die emotionalen Debatten: „Wir Coburger wurden geprügelt.“ Denn die Stadt hatte von vornherein geplant, den Zugang zum Markt eindeutig zu regeln und zu kontrollieren. Das Fazit der Diskussionen: Nur Geimpfte oder Genesene sollten Zutritt haben, damit die Menschen im Marktbereich keine Masken tragen müssen. Damit wähnten sich die Verantwortlichen auf der sicheren Seite.

Ralf Pazderas Stand steht auf dem Albertsplatz. Er führt den Vorsitz der Sektion Coburg im Süddeutschen Schaustellerverband. „Wir sind mit den Nerven am Ende“, sagt er. Denn für ihn fühlt sich die Situation doppelt und dreifach verzwickt an. Schon vor Monaten hatte er die Bestellung für den Glühwein und Hunderte Liter Glühbier aufgegeben. Extra eingebraut für seinen Stand. Kürzlich traf der Glühwein bei ihm und seinem Sohn Kevin ein. Da schwante ihm schon, dass er zu viel geordert hat. Seit dem 1. Dezember darf nun endlich verkauft werden. Der Geruch des Heißgetränks steigt verführerisch in die Nase. Dennoch Geselligkeit gleich null. Denn Trinken am Stand ist untersagt. Der Glühwein kommt in Flaschen auf den Tresen. „To-Go“.

Es gab auch mal einen Plan B. Er sah einen fast normalen Betrieb vor. Nur ganz so voll wie in den Vorjahren sollte es am Marktplatz nicht sein. Lediglich 1200 Personen wollte die Stadt gleichzeitig im Marktareal zulassen. Selbst als die Absage klar und unumstößlich war, suchten Verwaltung und Marketing nach Alternativen. Sauerteig ließ prüfen, ob nicht wenigstens ein Verkaufsmarkt möglich wäre. Im Hinterkopf hatte er vor allem die Händler. Sie drohten erneut auf ihrer Ware sitzen zu bleiben. Doch auch Plan B war rechtlich nicht umsetzbar.

In unmittelbarer Nachbarschaft zum Stand von Ralf Pazdera verkauft Sandra Sturm Getränke aller Art: Glühwein, Kakao, Eierpunsch und Feuerzangenbowle. Trotz des nasskalten Wetters reicht die Schlange bis zur Markthalle. Die Standbetreiberin strahlt vor Freude. Seit 30 Jahren ist sie auf dem Coburger Weihnachtsmarkt dabei. Sie zählt schon fast zum Inventar. „Erzähl doch deinen Freunden, dass wir jetzt auch Glühwein mit Schuss verkaufen dürfen“, sagt sie zu einer Besucherin.
In ihrem Stand ist sie gut beschäftigt. Schenkt Glühwein aus. Bäckt leckere Crêpes. Kredenzt  Gulaschsuppe im Brotlaib.

Alternativ hat die Stadt den willigen Standbetreibern zumindest mal angeboten, Ihren Stand am Albertsplatz, Anger oder am Kaufhof aufzustellen. Originalton Stadtmarketing: „Diejenigen, die das wünschen, können ihre Bude in der Innenstadt aufbauen.“ So steht zum Beispiel das „Coburger Hexenhaus“ mit allerhand leckeren Naschereien am Anger.

Auch Familie Rilke hat ihren Stand am Ketschenanger platziert. Hier gibt es heiße Maroni. Die werden auf einem kleinen Kachelofen gebraten. So bleiben auch Standbetreiber und Besucher warm. In normalen Jahren der Renner auf dem Markt. Maria Rilke ist erleichtert, dass sie überhaupt mit dabei ist. „Die Freude war riesig.“  Allerdings läuft das Geschäft nur schleppend.

Ein ganzes Stück weiter, gefühlte 20 Minuten Fußmarsch, hat Miriam Lange ihren Stand platziert. Hier hängen riesengroße Schinken von der Decke. Eng an Eng. In der Theke liegen Dutzende Pasteten. Die Auswahl ist groß: von der Gans, vom Schwein, vom Rind – für jeden Geschmack. „Wir holen hier immer unsere Wurst für Weihnachten. Das ist schon Tradition bei uns“, berichtet eine Besucherin. Sie ist offenbar froh, ihre geliebte Pastete zum Familienfest genießen zu können.

Viele Besucher und Standbesitzer wirken trotz der widrigen Umstände zufrieden. Immerhin ist ihnen trotz der bayernweiten Absage ein Markterlebnis beschieden. Zwar sind die Wege weiter, aber die Freude über ein wenig Gesellschaft dafür umso größer. Vieles ist anders als sonst. Und doch verströmen Glühweinaroma und Mandelduft ein wenig Atmosphäre. Wenigstens Plan C ist aufgegangen.

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Crossmedia Journalist

Posted by Willy Rebhan

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