Sprache

ASCOLINO – Bilingualer Kindergarten

ASCOLINO – Bilingualer Kindergarten

Am 7. Januar 2020 öffnete der bilinguale Kindergarten „ASCOLINO“ in Coburg seine Pforten. Die Idee dazu stand bei der überregional bekannten Sprachenschule ASCO schon lange im Raum. Multilinguale Kommunikationsfähigkeit sowie interkulturelle Kompetenzen gelten heute als Schlüsselqualifikationen und Mehrsprachigkeit fast als ein „Muss“ für jeden EU-Bürger. Forschungen haben ergeben, dass (Fremd-) Sprachenlernen meist dann am erfolgreichsten ist, wenn möglichst früh damit begonnen wird – das heißt am besten noch vor dem Englisch-Unterricht in der Grundschule.

Dass Kinder bilingual erzogen werden, ist keine Seltenheit: Nach Angabe der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft wächst heute mehr als die Hälfte aller Menschen mit mehr als einer Sprache auf. Insgesamt gibt es etwa 6000 – 7000 Sprachen und beinahe 200 in der UN vertretene Staaten. Wenn man diese Zahlen in Beziehung setzt, wird klar, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass ein Kind ein Leben lang mit nur einer einzigen Sprache konfrontiert wird. Umso besser, wenn es gut vorbereitet ist.1  4

Das sprachliche Lernvermögen

Viele Wissenschaftler haben sich mit der Frage beschäftigt, warum Kinder, die früh mit einer Fremdsprache in Berührung kommen, diese mit größerer Wahrscheinlichkeit zur Vervollkommnung bringen. Nach Angaben von W. Klein vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen (Niederlande) wächst das Kommunikations- und Satzkonstruktionsvermögen mit dem Erlernen einer neuen Sprache bei jungen wie bei älteren Menschen. Die Fähigkeit, Lautfolgen zu kopieren, nimmt jedoch mit der Zeit ab. Bei Kindern könnte die Motivation indessen höher sein, eine Sprache perfekt zu beherrschen, denn sie müssen sich erst noch eine soziale Identität in einer Gemeinschaft aufbauen. Diese höhere Motivation führt demnach zu besseren Resultaten.1 2

One person, one language

Es lohnt sich, eine Fremdsprache früh zu erlernen, betont auch Sabine Groh, Leiterin des ASCOLINO-Kindergartens: „Wenn ein Kind von Anfang an eine Sprache als Muttersprache lernt, und diese sich gefestigt hat, dann gibt es für andere Sprachen überhaupt kein Problem mehr“. Entscheidend sei dabei, dass das Erlernen der Fremdsprache kontinuierlich von Muttersprachlern begleitet wird.

„Wir haben bei uns im Kindergarten einen Native Speaker, das heißt jemanden, der sich dann wirklich nur in der Fremdsprache, bei uns Englisch, mit den Kindern unterhält“, erklärt sie. Diese Maßnahme folge dem „One person, one language“ – Prinzip, das 1902 von dem französischen Linguisten Maurice Grammot entwickelt wurde, um „Sprachverwirrung“ vorzubeugen. Es fällt den Kindern so leichter, verschiedene Sprachen und Kulturen auseinander zu halten.3

Muttersprachler im Team zu haben sei auch dahingehend von Vorteil, dass sie sich authentisch verständigen und die Klangfarbe der Sprache unmittelbar an die Kinder weitergeben können, erklärt Groh weiter. Konventioneller Englisch-Unterricht, der nur sporadisch oder durch längere Perioden des Nicht-Lernens unterbrochen werde, könne bei Kindern nicht die gleichen Erfolge erzielen – „Es ist einfach etwas ganz anderes, wenn die Kinder die Sprache immer wieder im Alltag anwenden“, hält sie fest.

Barrieren abbauen

Das muss nicht immer von Beginn an perfekt klappen. Auch Sprachbarrieren abzubauen, ist ein Ziel der Erzieher. „Irgendwie kann man sich immer verständigen“, behauptet Groh, „man muss es nur versuchen. Und je öfter man es versucht, desto eher ist man am Ende in der Lage, sich zu verständigen“. Später können Sprachen viele Türen öffnen – zu höheren Bildungseinrichtungen oder internationalen Unternehmen, aber auch zu fremden Kulturen und neuen Bekanntschaften.

Dass viele Eltern diese Ansicht teilen, zeigt die große Nachfrage nach ASCOLINO – Kindergartenplätzen. Die aktuell angebotenen 25 Regelplätze für Kinder im Alter von 2,5 bis 6 Jahren sind bereits vergeben, aber die Zahl der Interessenten reißt nicht ab. „Wir haben tatsächlich auch schon viele Anfragen von Familien aus dem Ausland bekommen,  die nach Coburg ziehen werden“, erklärt Sabine Groh. Grundsätzlich stehe ASCOLINO jedem Kind offen, fährt sie fort, ungeachtet dessen, ob es selbst einen bilingualen Hintergrund aufweist oder auf Wunsch der Eltern dabei ist.

Mittelfristig sollen mindestens 50 Plätze angeboten werden – mit der langfristigen Option einer Erweiterung um eine Krippengruppe. Da ein Ausbau bestehender Räumlichkeiten nicht möglich war, musste der Kindergarten vorerst auf eine Containerlösung in der Alexandrinenstraße  ausweichen. Auch hier sei langfristig geplant, einen festen Standort zu finden, erklärt Groh. Voraussetzung für alle Maßnahmen ist allerdings eine Entfristung der zugewiesenen Betreuungsplätze durch die Stadt Coburg.

(1) Vgl. Prof. Dr. Klein, W. (Max-Planck-Institut für Psycholinguistik): „Mechanismen des Erst- und Zweitspracherwerbs“, in: Sprache · Stimme · Gehör, 2007; 31, p. 138 – 143.

(2) Vgl. hierzu auch: Bialystok, Ellen: „Bilingualism: The good, the bad, and the indifferent*“, in: Bilingualism: Language and Cognition, 12 (1), 2009, p. 3–11.

(3) Vgl. Barron-Hauwaert, Suzanne: The One-Parent-One-Language Approach. Multilingual Matters, Clevedon 2004, p. 1ff.

(4) Vgl. Deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft: „Mehrsprachigkeit. Können Kinder nur eine Sprache gleichzeitig lernen?“, URL: https://dgfs.de/de/thema/bilingualer-erwerb.html [letzter Aufruf: 22.03.2020].

Mehr Informationen gibt es hier: https://ascolino.de/

Wer sich für das Thema „Kindergarten“ interessiert, kann sich hier weiter umsehen:

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Posted by Ann-Kathrin Fischer in Ann-Kathrin Fischer, Kindheit, Pädagogische Projekte für Kinder/Jugendliche
Das Oberfränkische Wort des Jahres

Das Oberfränkische Wort des Jahres

Seit 2015 wird das Oberfränkische Wort des Jahres gewählt. Ein Projekt, das sich in kurzer Zeit zum Selbstläufer entwickelt hat. Nach Wischkästla, a weng weng und urigeln in den Vorjahren wurde 2018 derschwitzen zum oberfränkischen Wort des Jahres gewählt. Barbara Christoph von der KulturServiceStelle des Bezirks Oberfranken in Bayreuth ist Teil der Jury. Die gebürtige Oberpfälzerin fühlt sich längst im Oberfränkischen zu Hause und wenn es um den Dialekt geht hat dieser für sie durchaus eine moderne Komponente. Den Niedergang will sie ihm noch lange nicht voraussagen. Wir haben mit ihr gesprochen, was denn genau hinter der Idee zu dem oberfränkischen Wort des Jahres steckt.

Das Oberfränkische Wort des Jahres wurde bereits zum vierten Mal gewählt – welche Idee steckt hinter der Aktion?

Wir wollen mit dem Oberfränkischen Wort des Jahres zeigen, dass der Dialekt lebt. Dass er nichts Rückwärtsgewandtes ist. Ganz konkret geht es uns darum zu zeigen, dass der Dialekt Wörter hat, für die es keine hochdeutsche Entsprechung gibt bzw., dass das Dialektwort bisweilen sogar präziser als das Hochdeutsche ist, weil es eine ganz klare Emotion transportiert, ganze Bilder malt.

Oft sind es einfach Nuancen. Ganz stark war das beispielsweise bei unserem zweiten oberfränkischen „Wort des Jahres“ a weng weng: Das deutet zwar schon an, dass es ein bisschen wenig war, aber ohne gleich eine böswillige Kritik abgeben zu wollen.

Wie läuft die Wahl zum Wort des Jahres ab?

Die Aktion läuft eigentlich durchgehend. Wir sammeln das ganze Jahr über Vorschläge und führen darüber eine Liste. Da ist es dann auch nicht so, dass die Vorschläge, die vor zwei Jahren eingegangen sind, fort sind. Schließlich sind einige Wörter Dauerbrenner und werden uns in jedem Jahr zugesandt. Aber wir notieren schon, wie häufig ein Wort vorgeschlagen wird. Momentan haben wir ein Pool von etwa 1500 Wörtern. Ein absoluter Publikumsliebling ist natürlich das Wort fei. Vor der Wahl sucht sich jedes Jurymitglied aus der Liste jeweils fünf Vorschläge aus, die dann in einer Sitzung diskutiert werden.

Die Jury besteht aus der Sprachwissenschaftlerin Almut König von der Universität Erlangen, Sabine Knieling vom Extra-Radio in Hof und Bertram Popp, dem Leiter des Bauernhofmuseums in Kleinlosnitz – sozusagen unser Native Speaker; er hat dieses Jahr auch den Bayerischen Dialektpreis erhalten.

Der Sieger ist also nicht das am häufigsten genannte Wort, sondern das Ergebnis einer intensiven Diskussion?

Genau. Die Wörter sollten eine Botschaft transportieren, wie heuer derschwitzen, das sicher auch schon länger in unserer Gesamtliste stand.

Das Marmeladenaamerla, das halt nur lustig im Dialekt ist, aber ohne Substanz fällt es einfach raus. Sozusagen der fränkische Oachkatzlschwoaf: Allseits beliebt und süß, aber ohne Geschichte.

War die Wahl zum Oberfränkischen Wort des Jahres nur als einmalige Aktion gedacht?

Medial hat uns das Teil ja komplett überrannt. Es ist das erfolgreichste Projekt des Bezirks Oberfranken. Eingeschlagen hat vor allem des erste „Oberfränkische Wort des Jahres“ 2015, das Wischkästla. Da waren wir in über 84 Zeitungen. Da war das Geheimnis auch wirklich das Wort selbst. Dass der Dialekt nicht nur alte Wörter hat, wie das urigeln im vergangenen Jahr, sondern, dass der Dialekt wirklich lebt. Bei dem Wort urigeln hatten wir auch die größte fachliche Diskussion: Ob es als Verb gebraucht wird: „es urigelt“ – oder substantivisch: „ich habe Urigeln“. Die Bedeutung ist klar. Es ist das spezielle Kribbeln in den Fingern oder Zehen, wenn man in die Wärme kommt. Das ist auch wieder ein typisches Beispiel für die Idee hinter unserem oberfränkischen „Wort des Jahres“: es gibt dafür keine hochdeutsche Entsprechung. Die Aktion soll auch einfach Lust machen auf Dialekt. Wir wollen weg von diesem „pflegen und hegen“. Das verbinde ich so mit „darnieder liegen“ oder „sterben“. Mit Wischkästla konnten wir auch zeigen, dass der Dialekt ein modernes Wort hat.

Wie ist Idee dazu überhaupt entstanden?

Der Anstoß kam eigentlich von Sabine Knieling vom Extra-Radio, die uns – als Vertreter des Bezirks Oberfranken – bei der Pressekonferenz zu den Mundart-Theatertagen nach unserem fränkischen Lieblingswort gefragt hat. Und aus dieser Frage heraus ist irgendwie die Suche nach dem „Wort des Jahres“ entstanden. Weil das Interesse dann zum Start 2015 so groß war, haben wir beschlossen, die Aktion jährlich durchzuführen.

Dialekt hat also durchaus eine moderne Komponente und kann die Menschen begeistern?

Ja, Dialekt ist lebendig. Das ist ein Ansatz, den ich auch ganz stark verfolge. Dazu kommen moderne Einflüsse. Im Kulmbacher Theater „Baumann“, zum Beispiel: „Der Krug ist hie“ – also „Der zerbrochene Krug“, ein Mundart-Theaterstück auf höchst professionellem Niveau. Oder junge Mundart-Bands, die den Nachwuchs begeistern.

Kann oder soll man Dialekt in der Schule erlernen?

Da sprechen wir ja von einer Verordnung, sich mit Dialekt zu beschäftigen. Ich habe da natürlich keinen Einblick in den Unterricht und es ist sicher zu begrüßen, dass der Dialekt wieder zum Thema wird. Dass man den Wert des Dialektes wieder erkennt. Aber meiner Meinung nach wird er da behandelt wie eine Kunstform. Für mich ist es aber nicht der richtige Ansatz, den Dialekt als eine Art Brauch zu behandeln. Ein Brauch wird ja eben gehegt und gepflegt und das zeigt für mich, dass er nicht mehr gelebt wird. Aber er soll ja lebendig bleiben. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass Dialekt für ein gutes Sprachgefühl sorgt. Dass er wichtig für den grundsätzlichen Umgang mit Sprache ist. Dass er auch in der Sprachgeschichte widerspiegelt, wo ein Wort herkommt.

Der Dialekt stirbt also nicht aus?

Das kann ich mir nicht vorstellen. Er wird sich wandeln, wie er sich schon immer gewandelt hat. Dass wir uns eines Tages zu einem kollektiven Hochdeutsch hin entwickeln, das sehe ich zumindest für unsere Zeit nicht. Dazu haben wir noch zu viele „Native Speaker“. Ich kann diese Dramatik oft nicht verstehen: Wie gesagt, er wandelt sich – und das finde ich, ist eigentlich auch das Gute daran. Ich glaube nicht, dass man ihn künstlich am Leben erhalten kann. Es entsteht Neues und Altes geht. Das ist der Lauf der Dinge. Und so sehe ich es mit der Sprache auch. Man braucht Leute, die es tun. Mit Leidenschaft, die es mit Neuem vermischen. Wie die Mundart-Theater oder Bands wie Boxgalopp. Das sind Leute, die den Dialekt weitertragen.

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Und wie finden die Kulmbacher das Obefränkische Wort des Jahres?

Posted by Judith Hobmaier in Judith Hobmaier, Panorama