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Kinderorientierte Familientherapie (KOF)

Kinderorientierte Familientherapie (KOF)

Der Mosaikstein in einem komplexen Muster

Die Kinderorientierte Familientherapie (KOF) vereint Elemente des Elterncoachings und der klassischen Spiel- und systemischen Familientherapie. Vor gut zehn Jahren kam das systemische Verfahren, das auf gemeinschaftlichem Handeln im Spiel basiert, nach Deutschland. Der Norweger Martin Soltvedt entwickelte es in den 1980er Jahren. Vor wenigen Jahren brachte der Dipl. Psychologe Bernd Reiners es nach Deutschland. Die Therapie strebt danach, für eine angenehme, freudige Interaktion mit heilendem Potenzial zwischen Kindern und Eltern zu sorgen.

„Wir haben schon immer sehr intensiv familientherapeutisch gearbeitet. Viele von diesen Maßnahmen sind aber mehr an Erwachsenen beziehungsweise an Jugendlichen orientiert, da man viel miteinander sprechen muss“, sagt die Dipl. Psychologin Carolin Schmidt. Sie arbeitet als Therapeutin bei der Geschwister-Gummi-Stiftung in der Kinder- und Jugendhilfe in Kulmbach. Bei KOF gehe es viel mehr darum, über ein gemeinsames Spiel und die anschließende Reflektion mit Kind und Eltern, an der Interaktion zu arbeiten. So spielt die Therapeutin gemeinsam mit dem Kind und den Eltern im Sand und zeichnet die Spielsequenzen auf, um sie später mit den Eltern problem- und lösungsorientiert zu analysieren. Durch das gemeinsame Spiel möchte man die kindliche Perspektive in die diagnostisch-therapeutische Arbeit einbinden.

Die Deutsche Gesellschaft für Kinderorientierte Familientherapie definiert die Anwendungsbereiche wie folgt: bei kindlicher Aggression, Angst oder Schüchternheit, bei Kommunikationsstörungen zwischen den Eltern und dem Kind oder bei Einschränkungen in der pädagogischen Handlungskompetenz der Eltern. Genauso gut könne es bei einer Anbahnung von Adoptions- und Pflegeverhältnissen oder Sorgerechtsentscheidungen angewandt werden.

Ein Beispiel von Caroline Schmidt aus dem Buch „Neue Wege im Sand“:

Achtjähriges Mädchen:

Das Kind war unter anderem wegen Aufsichtspflichtverletzungen der Mutter und verbaler sowie physischer Gewalt durch deren Lebensgefährten gegenüber Kind und Mutter in Obhut genommen worden. Nach einigen grundlegenden Veränderungen im mütterlichen Lebensumfeld sollte mit familiengerichtlicher Zustimmung das Mädchen wieder in den Haushalt der Mutter zurückgeführt werden. Das deutlich entwicklungsverzögerte Kind hatte in der Vergangenheit wiederholt in vielen Situationen von der Mutter weder Schutz noch Hilfe erhalten, sodass emotionale Bindung und Beziehung noch belastet waren.

Durch den Einsatz der Kinderorientierten Familientherapie sollte zunächst in der Übergangsphase die Beziehung der beiden wieder verbessert werden. Im Spiel verhielt sich das Mädchen verunsichert. Mehrfach baute es den Kasten mit Spielmaterial völlig zu, sodass den anderen Spielern kaum Raum blieb. Auf Fragen der Mitspieler, die dem Spielinhalt dienten, reagierte es kaum. Meist war das Kind enorm lange mit sich beschäftigt; Kontakt zur mütterlichen Figur oder ein gemeinsames Tun entstanden kaum. Auf der Realebene suchte das Mädchen zur Bestätigung den Blickkontakt zur Mutter oder deren körperliche Nähe.

Im Rahmen der Videoreflexion konnte erarbeitet werden, welches Maß an Führung durch die Mutter das Kind einerseits benötigte, um die notwendige Sicherheit zu erhalten. Andererseits wurde in mehreren Spielsequenzen ausprobiert, welchen Raum und wie viel Zeit das Kind braucht, um sich (auf spielerischer Ebene) selbst zu finden und somit auch sicherer in den Kontakt zu gehen. Da die Mutter ebenfalls kognitiv eingeschränkt war, profitierte sie von den praktischen Eindrücken im Spiel besonders, und konnte mit Anleitung und Ausprobieren die kindlichen Bedürfnisse zunehmend besser erkennen. Auch hatte die Mutter selbst sichtlich Freude an der Methode, in der sie sich als wirksam und aktiv erleben konnte.

Nach der Rückführung zur Mutter wurde in der Fortsetzung zusammen mit den anderen Fallbegleitern an pädagogischen Themen gearbeitet wie Strukturen zu geben, Grenzen zu achten, Durchsetzungsfähigkeit zu stärken, Beziehung zu stabilisieren. Erziehungsberatung, teilstationäre heilpädagogische Versorgung in der Tagesstätte und Fortführung der Kinderorientierten Familientherapie können hier als „gemeinsamer Versuch“ verstanden werden, Mutter und Kind das Zusammenleben wieder zu ermöglichen.

Caroline Schmidt schrieb in dem Buch „Neue Wege im Sand“ (Hrsg. W. Brächter & B. Reiner) einen Beitrag über die „Kinderorientierte Familientherapie im Heimkontext“. Dabei stellt sie folgende wesentliche Merkmale von KOF vor: Gemeinsamkeit, Klarheit, Kindorientierung, Übernahme der Kindperspektive und Gefühle erkennen. Die Kinder müssen von den Eltern spüren, dass sie wertvoll, wichtig, kompetent und liebenswert sind. Sie müssen auf Verständnis, Schutz und Unterstützung vertrauen.

Die Geschwister-Gummi-Stiftung Kulmbach bietet diese Art von Therapie im stationären und teilstationären Bereich an. „Wir bieten KOF in der Hilfeplanung als Angebot vor allem bei Rückführungen von Kindern in die Familien an“, sagt Caroline Schmidt. Die Sitzungen fänden meist einmal in der Woche statt. „Wir Therapeuten achten dann gezielt darauf, wo es Schwierigkeiten im Alltag gibt, die sich auch im Spiel zeigen.“ Das Spiel werde dann individuell an jedes Kind angepasst. So nimmt man mal mehr, mal weniger Spielmaterial oder man lässt die Eltern erst später mit hinzukommen. Dabei gilt: „So viel Struktur wie nötig, so viel Flexibilität wie möglich.“

KOF sei laut Caroline Schmidt keine Methode, die spezifisch an Krankheitsbildern orientiert ist und die immer nach einem bestimmten Konzept funktioniert. KOF sei eher ein Impulsgeber, ein Baustein in einem Maßnahmenpaket und nur ein kleiner Anteil in einem großen Gebilde.

Quellen:

  • Das Buch: „Neue Wege im Sand“. Systemisches Sandspiel und Kinderorientierte Familientherapie von Wiltrud Brächter und Bernd Reiners (Hrsg.), Heidelberg 2018 (Carl-Auer-Verlag)
  • Deutsche Gesellschaft für Kinderorientierte Familientherapie
  • Dipl. Psychologin Caroline Schmidt, Geschwister-Gummi-Stiftung, Zentrum Familie und Erziehung
Posted by Sarah Schmidt in Kindheit, Kindheit im Wandel der Zeit, Sarah Schmidt