Natur

Waldkindergarten in Bamberg

Waldkindergarten in Bamberg

Die Heimat des Kindergartens ist der Bruderwald

Zunächst einmal sei ein Waldkindergarten ein ganz normaler Kindergarten, erklärt Diplom-Pädagogin Stefanie Baumann, Leiterin der Einrichtung. Auch er sei an das bayrische Kindertagesstättengesetz gebunden. Der Unterschied besteht nur darin, dass die Kinder mit ihren ErzieherInnen eben täglich und bei jedem Wetter draußen im Wald unterwegs sind. Bei „Die kleinen Waldschrate e.V.“ handle es sich um einen „kleinen, familiären Verein“, erzählt sie weiter, der sich anfallende Aufgaben teilt. Wie die meisten Einrichtungen dieser Art besitzen auch „Die Kleinen Waldschrate e.V.“ eine Hütte, in die sie sich bei Regen zurückziehen können. Sie liegt im Bruderwald verborgen zwischen dem Naturwaldreservat „Wolfsruhe“ und dem Klinikum Bamberg.

Der Kindergarten-Alltag

Jeden Morgen läuft die heute 20-köpfige Kindergruppe mit ihren Erziehern den 1,5 km langen Weg vom Eingang des Waldes bis zu der kleinen Lichtung, auf der sich die Hütte befindet. Diese ist bereits vom eingebauten Ofen vorgeheizt, wenn die Kinder nach einstündiger Wanderung zum Frühstück erscheinen. Dann gibt es eine Brotzeit mit Nüssen oder Trockenfrüchten und je nach Jahreszeit auch saisonales Obst und Gemüse.

Die Stromversorgung der Hütte wird durch Solarpanels auf dem Dach gesichert, die eine ausreichende Beleuchtung gewährleisten. „Wir möchten Umwelterziehung auch vorleben“, erklärt Stefanie Baumann. Deshalb wird bei der Wasserversorgung auf Kanister zurückgegriffen, für Wärme sorgt der zentrale Ofen und auf Plastik wird weitestgehend verzichtet. „Weniger kann manchmal mehr sein“, sagt sie. Und dies gilt auch beim Spielen: Wer braucht schon Lego, wenn er mit echten Steinen spielen kann? Wozu Plastikschwerter, wenn es auch mit Stöcken geht? In und in unmittelbarer Nähe der Hütte filzen, schnitzen und basteln die „kleinen Waldschrate“ unter Anleitung.

Über die Verbindung zur Natur

Die Lebenssituation von Kindern sieht heute oft anders aus. Für viele ist sie bestimmt von Reizüberflutung, Bewegungsmangel, funktionellem Spielzeug und geregeltem Freizeitangebot.1 Wald- und Naturkindergärten möchten diesen Umständen mit erlebnis- und beschäftigungsspezifischen Anreizen entgegenwirken.

Dass die Kleinen im Kindergarten keine vorgefertigten Spielwaren vorfinden, fördert in diesem Sinne ihre Kreativität. Auch sind sie so gezwungen, sich untereinander abzusprechen, was die Sozialkompetenzen des Einzelnen und der Gruppe verbessert. Gruppenzugehörigkeit kann wiederum zu einer entspannten Lernatmosphäre beitragen. In einer Zeit, in der viel von „Mobbing“ und „Ellenbogen-Einsatz“ geredet wird, werden diese sozialen Ansätze immer wichtiger.1 „Wir sind ja keine autarken Lebewesen“, verdeutlicht Stefanie Baumann, „wir sind Teil dieser Erde und ich glaube, es ist wichtig, dass wir mit und nicht ohne Mutter Natur aufwachsen“.

Umweltbewusstes Denken ist heute mehr denn je gefragt – doch ist Grundlage dafür, dass man die Natur auch kennt. In diesem Sinn jedenfalls hält Hartmut von Hentig fest: „Wenn ein Kind nie einen Samen gesät, die daraus entstehende Pflanze entdeckt und gehegt hat, wenn es nie einen Baum bestiegen, nie einen Bach gestaut, nie ein gefährdendes Feuer gemacht hat … – wie soll ihm die Erhaltung der Arten, das ökologische Gleichgewicht, die ‚Natur‘, diese ungeheuerlichste Abstraktion aller Abstraktionen, am Herzen liegen“ 2.

Entdeckergeist schulen

Die Erzieher des Waldkindergartens lassen ihre Schützlinge diese „ungeheuerlichste Abstraktion“2 weitgehend selbständig erforschen und entdecken. Darin folgt das pädagogische Konzept den Erkenntnissen des Neurobiologen Prof. Dr. Gerald Hüther, der ideale Lernbedingungen dann gegeben sieht, wenn Kinder ihre angeborene Lust am Entdecken und Gestalten nicht verlieren. 3

„Natürlich geben wir dennoch Impulse und beobachten“, erklärt Stefanie Baumann, „und es ist immer schön anzusehen, wenn Kinder ihre Scheu ablegen, mit ihren roten Wangen in Gummistiefeln durch den Wald laufen, mit ihren Wassereimern und Stöcken – es ist so schön zu sehen, wofür Kinder sich begeistern können und es ist so schade, dass viele Erwachsene das vergessen haben“.

Was für ein Regelkindergartenkind Lego ist, sind für das Waldkindergartenkind Stöcke und Steine. Damit kommt es der Natur in jungen Jahren schon ein ganzes Stück näher. In Waldkindergärten sollen Kinder durch diese Art der Begegnung schon früh lernen, sich als konstruktiver Teil ihrer Umwelt wahrzunehmen. Der Kindergarten „Die kleinen Waldschrate e.V.“ aus Bamberg, der im Jahr 2005 durch eine Elterninitiative ins Leben gerufen wurde, setzt sich für frühe Naturverbundenheit als Basis einer nachhaltigen Entwicklung ein.

Der Kindergarten-Alltag

Über die Verbindung zur Natur

Entdeckergeist schulen

OberfrankenOberfranken
Die Kleinen waren fleißig

Für mehr Informationen: https://www.waldkindergarten-bamberg.de/

(1) Dr. phil. Häfner, Peter: „Natur- und Waldkindergärten in Deutschland –  eine Alternative zum Regelkindergarten in der vorschulischen Erziehung“, Diss. 2008, Universität Heidelberg, S. 35ff.

(2) HENTIG, H. VON:  Humanisierung, eine verschämte Rückkehr zur Pädagogik?  Stuttgart 1993, S. 56, zit. nach Dr. phil. Häfner, Peter: „Natur- und Waldkindergärten in Deutschland –  eine Alternative zum Regelkindergarten in der vorschulischen Erziehung“, Diss. 2008, Universität Heidelberg, S. 40.

(3) Vgl. BildungsklickTV: „‚Begeisterte Entdecker bleiben‘ – Interview mit Prof. Dr. Gerald Hüther“, URL: https://www.youtube.com/watch?v=Sdf1_k0UO3w [letzter Aufruf am 22.03.2020].

Wer sich für das Thema „Kindergarten“ interessiert, kann sich hier weiter umschauen:

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Posted by Ann-Kathrin Fischer in Ann-Kathrin Fischer, Kindheit, Pädagogische Projekte für Kinder/Jugendliche
Wilde Wurzeln in Bamberg

Wilde Wurzeln in Bamberg

Florian Essel, Erzieher und Wildnispädagoge, hat vor gut dreieinhalb Jahren in Bamberg „Wilde Wurzeln Wildnispädagogik“ gegründet. Sein Ziel ist es, junge Menschen für die Natur zu begeistern. Mittlerweile arbeiten er und sein Team eng mit Schulen der Region zusammen. Neben Ferienbetreuung, Tages- und Geburtstagsaktionen, Zeltlagern und Einzelprojekten bieten sie auch regelmäßigen Gruppenunterricht an – wobei „Unterricht“ hier nicht mit „Schulbank drücken“ gleichgesetzt wird.

Herr Essel, wie arbeiten Sie mit den Schulen der Region zusammen?

Das ist sehr unterschiedlich. Wir haben kurzzeitige Projekte, bei denen wir nur einen Tag oder eine Woche mit den Schülern in den Wald gehen. Wir haben aber auch Projekte, die das ganze Jahr über laufen. Zum Beispiel betreuen wir eine Schul-AG, die sich mit dem Thema „Naturhandwerk“ auseinandersetzt.

Bei Schulprojekten sprechen wir uns allgemein immer eng mit den Lehrkräften ab und gehen dann thematisch auf den Lehrplan ein. Wenn zum Beispiel das Thema „Wald“ im Unterricht behandelt wurde, die Kinder also schon etwas über Baumarten oder die Tiere des Waldes wissen, dann „holen“ wir sie auf ihrem jeweiligen Kenntnisstand „ab“, indem wir mit ihnen raus in die Natur gehen, wo sie ihr Wissen dann anwenden.

Bei jüngeren Kindern verleihen wir dem Ganzen gerne eine Art „Abenteuercharakter“, in dem wir uns zuvor durch Geschichten in verschiedene Situationen versetzen. Bei den Älteren wird wiederum Survivaltraining sehr gut angenommen.

An welchen Projekten arbeiten Sie gerade?

Zum Beispiel am Projekt „Wildfang“, das 2018 in Zusammenarbeit mit der Caritas entstanden ist. Es handelt sich um ein Angebot für Kinder aus suchtbelasteten Familien, das Resilienz und Selbstschutz fördert, sie aber auf der anderen Seite auch über das Tabuthema „Sucht“ informieren soll.

Es ist in verschiedene Module aufgebaut, die mal drinnen, mal draußen stattfinden, und handwerkliche, aber auch intellektuelle Fähigkeiten vermitteln. Letztendlich geht es uns darum, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Und auch um die Möglichkeit, mal schwierige Themen anzusprechen.

Im Moment befinden wir uns allerdings noch in der Bewerbungsphase, das heißt, wir müssen noch abwarten, ob auch wirklich genug Teilnehmer zusammenkommen.

Und dann haben wir noch ein anderes Projekt in den Startlöchern, bei dem es um die Auswirkungen des Klimawandels hier vor Ort geht. Es würde in Zusammenarbeit mit dem Bund Naturschutz und dem Bayerischen Staatsforsten umgesetzt werden.

Wir würden dabei gerne mit den Kindern an Maßnahmen teilnehmen, die im Wald durchgeführt werden, um gegen die Folgen des Klimawandels vorzugehen. Gleichzeitig sollen die Kinder dann auch nach Möglichkeit eine Einführung in die Arbeit eines Forstwirts erhalten.

Aber auch hier sind wir erst noch in der Planungs- bzw. Pilotphase.

Sie bieten Kindern im Alter von 6 – 12 Jahren auch die Möglichkeit, „Waldkidsgruppen“ beizutreten. Wie laufen hier die Treffen ab?

Es gibt jeweils einen Frühling-Sommer-Block mit vier Treffen und einen Herbst-Winter-Block mit vier Treffen, die jeweils 5 Stunden in Anspruch nehmen. Es geht darum, alle Jahreszeiten gemeinsam draußen zu erleben und den Kindern früh die Zusammenhänge in der Natur beziehungsweise ein Verständnis für ökologische Kreisläufe mitzugeben.

Dabei gibt es ganz unterschiedliche Schwerpunkte, wir beschäftigen uns zum Beispiel mit Wildkräutern, dem Lesen von Tierspuren, der Vogelsprache, dem Bauen eines Unterschlupfes…

Wir weichen aber auch mal von diesen Themen ab, wenn es etwas gibt, was die Kinder plötzlich brennend interessiert. Einmal wollten wir uns zum Beispiel mit dem Korbflechten auseinandersetzen. Ich habe Körbe mitgebracht und wir sind gemeinsam zu einer Weide gelaufen, die wir schneiden wollten. Dann haben wir auf dem Weg dahin aber einen Schädel von einem Tier gefunden und natürlich war das plötzlich viel spannender als das Korbflechten. Es wurden die wildesten Theorien gesponnen, um was für ein Tier es sich denn handeln könnte – vom Dinosaurier bis zum Wildschwein – und dann haben wir uns eben tatsächlich der Frage angenommen, was das für ein Tier gewesen sein und was passiert sein könnte. Letztendlich hat ein Kind dann sogar zuhause noch nachgeforscht und zum nächsten Treffen die Lösung präsentiert.

Solche Erlebnisse zu fördern ist eigentlich unser Ziel. Wir unterstützen diese Art „Eigendynamik“, die sich aus einem Fund entwickeln kann, und freuen uns, wenn die Kinder gewillt sind, sich tiefer mit einem Thema zu beschäftigen.

Die Kindergruppe hat Kräuter im Wald gefunden und sortiert sie.

Haben Sie auch Kinder dabei, die bisher wenig Kontakt mit der Natur hatten?

Ganz unterschiedlich. Wir haben manchmal Kinder dabei, die beispielsweise Angst vor Zecken haben und sich nicht auf den Boden setzen wollen. Auf der anderen Seite haben wir aber auch Kinder, die oft mit den Eltern rausgehen oder die schon den Waldkindergarten besucht haben. Sie sind es gewohnt, durch Wälder zu streifen.

Also das ist tatsächlich bunt gemischt und ergänzt sich sehr gut. Oft ist es so, dass die Kinder, die sich anfangs ein bisschen schwertun, spätestens beim Spielen im Wald ihre Sorgen vergessen und freudestrahlend mit den anderen Kindern Lager bauen. Dann sind sie auch in der Lage, ganz neue Dinge zu entdecken – wenn sie nicht die ganze Zeit in ihren Ängsten gefangen sind.

Warum ist es so wichtig, als Kind viel draußen unterwegs zu sein?

Ich sehe positive Erfahrungen mit der Natur als Grundstein für ein natur- und umweltbewusstes Leben. Letztendlich ist vielen Menschen nicht mehr bewusst, dass wir ein Teil dieser ganzen Natur um uns herum sind und nicht nur ihr Behüter, Beschützer oder Besucher. Wir wollen bei uns schon früh eine positive Verbindung zur Umwelt aufbauen, indem wir mit den Kindern draußen Abenteuer erleben, ihnen schöne Erlebnisse mit auf den Weg geben.

Die Interaktion mit den anderen Kindern bietet den Teilnehmern auch die Möglichkeit, eigene Fähigkeiten und Kompetenzen auszubilden – wie zum Beispiel Selbstbewusstsein, Eigen- und Fremdwahrnehmung, Einfühlungsvermögen.

Warum sind Sie Wildnispädagoge geworden?

Ich habe in der Wildnispädagogik viel gefunden, was ich selbst in jungen Jahren erlebt habe, aber heute bei Kindern nicht mehr häufig antreffe.

Bei mir war es so, dass ich die Hausaufgaben gemacht habe und dann einfach nur noch draußen war. Mittlerweile hat sich da viel geändert.

Viele Kinder werden in Ganztagsschulen betreut, verbringen Nachmittage damit, den Schulstoff nachzubereiten oder haben andere Termine wahrzunehmen. Das ist an sich nichts Schlechtes. Es ist eigentlich generell zu befürworten, wenn sich Kinder für etwas engagieren, sei es für die Schule oder das Hobby.

Ich bemerke trotzdem, dass die Zeit, in der man einfach nur die Seele baumeln lassen kann, heute sehr knapp bemessen ist. Es ist aber wichtig, auch mal ungeplante Zeit zu haben. Ohne Druck und ohne Vorgaben mal irgendwo zu sein, die Augen aufzumachen und zu schauen, was man entdecken kann. Denn es gibt sehr viel zu entdecken auf dieser Welt.

Wer mehr über die Welt von „Wilde Wurzeln Wildnispädagogik“ erfahren möchte, kann das hier tun: https://www.wildewurzeln.de/

Wer sich für „Erfahrungen mit der Natur im Kindesalter“ interessiert, kann sich hier weiter umsehen:

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Posted by Ann-Kathrin Fischer in Ann-Kathrin Fischer, Kindheit, Pädagogische Projekte für Kinder/Jugendliche